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Zweiter Gesang.
Die Reise.
Inhalt.
     Wie uns der erste Gesang den Umfang des menschlichen Sündenelends vor Augen stellt, so läßt uns der zweite einen Blick thun in den unendlichen Reichtum der Gnade Gottes, ähnlich wie der Dichter singt: "Wenn bei uns ist der Sünden viel, Bei Gott ist vielmehr Gnade". Den Muth, den dem Dichter die aufgehende Sonne eingeflößt, verschwindet wieder mit der untergehenden; denn die Gnade Gotttes, als eine noch äußerlich an ihm arbeitende, ist noch nicht zum innern Prinzip (gratia habitualis) geworden. So die Wahrheit des Wortes an sich erfahrend, daß, wer sich auf sein eigen Herz verlasse, ein Narr sei, nimmt er in einer ziemlich gedehnten Rede voll frostiger Reflexion seinen Entschluß zur Reise in die übersinnliche Welt zurück, indem er sich dem Anscheine nach äußerst bescheiden mit seiner persönlichen Geringfügigkeit entschuldigt, um die sich der ewig selige Gott da oben über den Sternen nicht kümmre; denn dem Aeneas habe Gott die Reise in die übersinnliche Welt gestattet, damit er nach Anchises Rath Rom, den Sitz der weltlichen und geistlichen Weltherrschaft, gründe, dem Paulus aber, damit er den Glauben stärke, der die Welt überwinden sollte. Virgil hingegen, ihm das Innere seines Herzens aufdeckend, nennt seine angebliche Bescheidenheit mit dem rechten Namen Feigheit und ermuthige ihn, indem er seinen Blick von sich ab auf die göttliche Gnade lenkt, die unter dem Bilde der Maria als zuvorkommende, der Lucia als erleuchtende, der Beatrice als vollendende versinnbildet wird, gleich als wollte er ihm zurufen: "Der es angefangen hat, der wird es auch vollenden!" Virgil stellt sich als von Beatrice gesendet dar, aie auf Anregen der selbst erst durch Maria angeregten Lucia zu ihm gekommen sei. Der neuermuthigte Dante folgt willig, man weiß nicht, ob im Hinblick auf den Beistand der göttlichen Gnade oder mehr in Erinnerung an die verklärte Jugendgeliebte, die ihn schon während ihres Lebens dem gemeinen Haufen entrissen hatte. Die Zahl der nach oben hinziehenden himmlischen Frauen entspricht offenbar der Zahl der drei nach unten hinziehenden höllischen Thiere.

F a d e n .
    1. Die feige Zurücknahme.
  43. Die offne Rüge.
  49. Die ermuthigende Zusprache.
127. Der zurückkehrende Muth.

II.

1 Der Tag entwich; des Abends Bräune spannte,
  Die Wesen alle, die auf Erden gehen,
  Von ihren Mühen aus, und ich ermannte
4 Mich ganz allein die Fehde zu bestehen,
  Wie mit dem Weg, so mit dem Jammer unten,  01
  Deß Bild euch nun der treue Sinn läßt sehen.
7 Helft Musen, hoher Genius, hilf mir's runden!
  O Geist, der du beschriebst, was ich geschauet,
  Hier wirst du deinen Adel nun bekunden.
10 "O Dichter" sprach ich, "dem ich mich vertrauet,
  Erst prüfe meine Kraft, ob sie hinlänglich,
  Eh' du zum Paß mich führst, davor mir grauet.
13 Du sagst von Silvius Vater unverfänglich,  02
  Daß einst auch ihm die ew'gen Ort' umfingen,
  Als noch sein Leib betastbar und vergänglich;
16 Doch scheint's dem Mann von tieferem Eindringen
  Ganz billig, daß der Hasser alles Bösen,  03
  Bedenkend, Wer und Was ihm sollt' entspringen,  04
19 Vor andern ihm gefällig auch gewesen:
  War er doch in des Empyreums Höhen   05
  Zum Vater Roms und seines Reichs erlesen;
22 Und dies und das, - die Wahrheit zu gestehen, -
  War als der heil'ge Ort, woselbst des großen
  Apostels klein'rer Erbe säß', ersehen.   06
25 Durch jene Reise, die du rühmest, schlossen
  Sich Ding' ihm auf, die halfen ihm zum Siege,   07
  Daraus zuletzt die Papstes-Kron' entsprossen.
28 Dorthin zog später das zum heil'gen Kriege
  Erwählte Rüstzeug; jenen Glauben nährt' es,   08
  Der zu dem Weg des ewgen Heils die Stiege.
31 Wie aber sollt' ich's wagen? Wer gewährt es?
  Bin kein Aeneas, bin kein Paul. Unwürdig
  Hält mich auch Jeder für so Unerhörtes.
34 Darum, o Meister, fürcht' ich sehr, daß, gürt' ich
  Mich nun zur Reis', ich möcht' als Thor erscheinen;
  Du weißt es besser; sag', o Weiser, irrt' ich?"
37 Wie wer, nicht wollend, was er wollt', auf seinen
  Entschluß, weil er an Neues denkt, verzichtet,
  Bis zu des schon Begonnenen Verneinen:
40 So ich in jenem dunkeln Wald. Vernichtet
  Hatt' ich im Geiste jenes Unternehmen,  09
  Dem ich so hastig anfangs beigepflichtet.
43 Der Hochgemuthe, um mich zu beschämen,
  "Hab ich", sprach er "der Rede Sinn gefunden,
  So will die Feigheit deine Seele lähmen.
46 Wie falscher Schein das Thier in nächt'gen Stunden,
  Scheucht sie den Menschen auf dem Pfad der Ehre
  Von dem zurück, was er sich unterwunden.
49 Doch daß ich dich von dieser Furcht bekehre,
  Will ich, was ich vernommen, dir enthüllen,
  Als du zuerst mich jammertest. Nun höre!
52 Ich war bei jenen sehnsuchtsvollen Stillen,  10
  Da rief mich eine Frau, so schön und selig,   11
  Daß ich demüthig bat um ihren Willen.
55 Die Augen glänzten mehr als Stern'; allmählig   12
  Ließ sie die Stimme engelsüß erschallen,
  Und was sie sprach in ihrer Zung', erzähl' ich:
58 ""Geist Mantuas, gefälligster von allen,
  Des Angedenken in der Welt noch dauert
  Und dauern wird, bis sie aufhört zu wallen,   13
61 Mein Freund und nicht des Schicksals, sieh', umlauert  14
  Ist in der Wüst' er so auf seinem Wege,
  Daß er bereits zur Flucht sich kehrt und schauert.
64 Ich fürcht', er ist so weit vom rechten Stege,
  Nach dem, was mir im Himmel ward berichtet,
  Daß ich zu spät an's Werk die Hände lege.
67 Auf und dein schmuckes Wort an ihn gerichtet!  15
  Und was es braucht, daß ihn das Thier nicht morde,
  Versuch es so, daß es mich dir verpflichtet.
70 Mein Nam' ist Beatrice; von dem Orte,
  Wohin es mich zurück verlanget, kam ich;
  Mich trieb die Liebe; Liebe leiht die Worte.  16
73 In deinem Lobe nimmermehr erlahm' ich,  17
  Wann ich dereinst vor meinem Herrn erscheine.""
  Dann schwieg sie plötzlich, und das Wort nun nahm ich. -
76 "O Weib der Tugend, drob der Mensch alleine  18
  Vorragt vor allem unter jener Sphäre,
  Die jede andre übertrifft an Kleine,  19
79 So sehr sagt dein Befehl mir zu, daß, wäre
  Er schon vollstreckt, es mir zu spät noch schiene;
  Mehr braucht es nicht, daß sich dein Will' erkläre.
82 Doch sprich, wie steigst du von der weiten Bühne,  20
  Wohin dein Herz vor Sehnsucht brennt zu kehren,
  Hieher in diesen Mittelpunkt, du Kühne?" -  21
85 ""Da du solch ein Verlangen zeigst, zu hören,
  So will ich dir, warum ich mich getrauet
  Hieher zu kommen, in der Kürze lehren.
88 Auf Dinge nur, die schaden können, schauet
  Der Geist mit Furcht: in allen andern waltet
  Nichts Schreckliches; daher es ihm nicht grauet.
91 Durch Gottes Gnade bin ich so gestaltet,
  Daß euer Jammer mich nicht kann berühren,
  Die Flamme mich nicht fassen, die hier schaltet.  22
94 Die Drangsal, der du jenen sollst entführen,
  Macht eine zarte Frau im Himmel leiden,  23
Die bricht das harte Urtheil nach Gebühren.  24
97 Zu Lucia trat sie und sprach bescheiden:  25
  """Jetzt braucht dein Treuer deine Hülfe wieder
  In deine Hand befehl' ich ihn mit Freuden."""
100 Und sie, der alles Grausame zuwider,  26
Stand auf und kam zur Stätte, da ich weilte,
Denn bei der alten Rahel saß ich nieder.  27
103 """Lob Gottes, Beatrice, warum theilte  28
  Dein Herz des Mannes Noth nicht, der der Menge
Gemeinem Trosse dir zu Lieb' enteilte?
106 Hörst du nicht seines Weinens trübe Klänge,
Und siehst du denn den Tod ihn nicht bestreiten
Auf jener Fluth meertrotzendem Gedränge?
109 Es kann kein Mensch, der seinen Schaden meiden
Und seinen Vortheil haschen will, so schnelle,
Als ich nach solcher Rede, sich bereiten.  29
112 Hernieder stieg ich aus der seligen Helle,
Dem biedern Wort vertrauend, das dich ehrte
Und alle, die geschwelgt an seiner Quelle.""" -
115 Mit Thränen in den hellen Augen kehrte
Sie mir den Rücken, als sie sich ergossen;
Was meinen Drang zu kommen noch vermehrte.
118 So kam ich zu dir, wie sie es beschlossen,
Entriß dem Thier dich, das, zum schönen Hügel
Den kurzen Weg dir hemmend, kam geschossen.
121 Was hast du nun? Was hält dich für ein Riegel?
Was hegst du in der Seele solch ein Grauen?
Warum leiht dir die Kühnheit keine Flügel?
124 Da jene drei gebenedeiten Frauen
Am Hof des Himmels dir also gewogen;
Da dich mein Wort ein solches Heil läßt schauen!" -
127 Wie Blumen, die der Nachtfrost hat gebogen,
Auf ihrem Stiel erschlossen aufwärts streben,
Wenn sie den Strahl der Sonn' in sich gesogen:
130 So meines Geistes hingewelktes Leben;
So frischer Muth war mir in's Herz geronnen,
Daß ich die Stirn ganz frei begann zu heben:
133 "O wie barmherzig, die mein Heil begonnen,
  O wie gefällig du, daß, was du hörtest
  Aus ihrem Munde, dich sogleich gewonnen.
136 Du hast durch das, was du mich eben lehrtest,
  Mein Herz erfüllt mit solchem Reisewehe,
  Daß du zum ersten Vorsatz mich bekehrtest.
139 Ein Will' ist unser Beider. Nun so gehe!
  Du Führer, du Gebieter, du mein Meister!"
  Sprachs, und wie ich ihn vor mir wandeln sehe,
142 Folg' auf der steilen, rauhen Bahn ich dreister.

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Dritter Gesang

Erläuterungen:

01 Der Leib leidet von dem rauhen Weg durch die Hölle, der Geist von dem unsäglichen Jammer der Höllenbewohner. Dieses äußere Leiden neben dem innern deutet viellecit auf die äußere Vorbereitung zur Buße durch Kasteiung des Leibes neben der innern durch ernste Betrachtung. Diese doppelte Vorbereitung ist allerding eine Fehde gegen die leidensscheue Natur des Menschen.

02 Aeneas nämlich; Silvius und nicht Ascanius wird hier hervorgehoben, weil Silvius, halb aus Italischem Blute geboren, Vater der Könige von Alba Longa und somit Rom, worauf Alles hinstrebt, wurde. (Aeneide 6, 756-766).

03 Gott nämlich, nach dem Spruche: "Du bist nicht ein Gott, dem gottlos Wesen gefällt; wer böse ist, bleibt nicht vor Dir."

04 "Wer", das Römervolk nämlich; "Was", das so wacker war. Jenes bezeichnet die Substanz, dieses die Qualität; ächt scholastisch.

05 Also von dem dreieinigen Gott, dessen Sitz im Empyreum ist.

06 Hier geht er auf die höchste Bestimmung des R. Reichs über; die weltliche Herrschaft Roms diente nämlich der geistlichen nur als nothwendige Unterlage. Der Zusatz "die Wahrheit zu gestehen", ist wohl eine vorläufige Warnung vor dem Mißverständnisse, als verwürfe er mit den Päpsten auch das Papstthum. Das Ende der Terzine wirft einen tadelnden Seitenblick auf die dem Petrus so unähnlichen Nachfolger.

07 Durch die Vorhersagungen seines Vaters Anchises.

08 Nach 2 Cor. 12, 1-4. "(Ich ward entzückt bis in den dritten Himmel"). Unter dem drittem Himmel versteht Th. A. das Empyreum; der zweite ist dann der Cristallhimmel und der erste der Sternenhimmel, der acht andere unter sich begreift, nämlich den Fixsternhimmel und die sieben Planetenhimmel.

09 Der Verstand siegt über die Vernunft. Wie sticht diese ganze prosaischen Entschuldigung gegen den poetischen Anruf des Dichters zur Hülfsleistung im ersten Gesange ab. Aber freilich der berechnende Verstand ist, wie ohne Religion, so auch ohne alle Poesie.

10 Bei den Ungetauften im Limbus (s. H. 4, 31-45). Bemerkt sei hier, daß, wie aus Th. Aq. Spp. 69,3 erhellt, es damals Glaube der Kirche war, daß die Seelen (die unseligen sowohl, als die seligen) zwar nicht nach dem natürlichen Laufe (cursus naturalis), aber doch nach einer Fügung der göttlichen Vorsehung (dispositio disinae providentiae), wie hier eben, ihren Aufenthaltsort verlassen durften und zwar, wie es von den Unseligen ausdrücklich heißt, zur Belehrung (eruditio) und Erschreckung (terror) der Lebenden.

11 Die schöne selige Frau ist Beatrice, die, wie sie in Bezug auf die beiden andern Frauen die gratia perficiens versinnbildet, so dem Virgil gegenüber die Theologie vorstellt. (s. Einl. 6 und Inh. zum ersten Gesang).

12 Nicht unmöglich, daß dieser Ausdruck auf Weish. 7, 29 geht, wo es von der göttlichen Weisheit heißt: "Sie ist herrlicher, denn die Sonne und alle Gestirne und gegen das Licht gerechnet, geht sie weit vor." Es scheint überhaupt, daß Dante manche Züge zur Schilderung seiner Jugendgeliebten aus dem Buche der Weisheit entnommen. Redet doch C. 8, 2 von der göttlichen Weisheit (der doctrix disciplinae dei, 8, 4) wie von einer menschlichen Jugendgeliebten ("Ich habe sie geliebt von Jugend an und gedachte sie mir zur Braut zu nehmen und ward Liebhaber ihrer Schöne") und hatte doch Dante umgekehrt seine Jugendgeliebte zum Sinnbilde der Theologie, d. i. der göttlichen Weisheit verklärt.

13 Am Ende der Tage, wo die Sehnsucht der Erlösten nach vollbrachtem Pilgerlaufe in Gott, der im unbeweglichen Empyreum thront, zur Ruhe kommt, werden auch die Himmelskörper, die gleichfalls zu Gott hin geschaffen sind, in ihrem Pilgerlaufe stille stehen und wie Luther sagt, ihr Sonntagskleid anziehend, mit den kindern Gotttes die große Sabbathsruhe feiern. (Heb. 4, 9-10).

Thomas A. sagt Spp. Q. 74. A. 4. in Bezug auf diese endliche Beruhigung des ganzen Universums: "Von der Substanz des höhern Himmels braucht (bei der Welterneuerung nämlich) nichts weggeschaft, sondern nur die Bewegung beruhigt zu werden. Die Beruhigung aber der örtlichen Bewegung geschieht nicht mittelst der Thätigkeit eines wirkenden Gegentheils, sondern dadurch, daß der Beweger vom Bewegen absteht und so werden die Himmelskörper weder durch Feuer, noch durch irgend einer Creatur Thätigkeit gereinigt werden; sondern eben ihre Beruhigung, die nach bloßem göttlichen Willen geschieht, wird für sie die Stelle der Reinigung vertreten."

14 Freund nämlich. Das bezieht sich auf die durch sein Priorat veranlaßten politischen Anfeindungen in seiner Vaterstadt.

15 Cicero tadelt diejenigen, die Schmuck der Rede (ornatus sermonis) und Gewichtigkeit des Inhalts (gravitas sententiarum) von einander gerissen haben. Beatrice verlangt demnach, daß Virgil seine philos. Ermahnungen in das gefällige Gewand dichterischer Beredtsamkeit kleiden solle. Wie Dante von der Zusammengehörigkeit beider Dinge durchdrungen war, beweist der Umstand, daß er in seinem Convito den Boethius und Cicero, in dessen philosophischen Schriften er Trost suchte, Beweger des Venushimmels nennt, in den er die Rhetorik ihrer süßen Macht wegen auf allegor. Weise versetzt.

16 Liebe hat ja auch die göttliche Weisheit (als zweite Person in der Dreieinigkeit) zu uns herabgetrieben, um von unsern Bedürfnissen zu uns zu reden und nachdem sie dahin, wohin es sie zurückzukehren verlangte, zurückgekehrt, scheut sie sich, die in sich selige und von unserm Leid zwar gerührte, aber nicht berührte, noch immer nicht, an die arme Lehmhütte des der Hölle verfallenen Sünders mit ihrem reichen Troste anzuklopfen.

17 Die damalige Theologie hatte allerdings große Ursache, sich der Philosophie zu rühmen, da sie aus den Schriften des Philosophen, Aristoteles nämlich, die hochgepriesene dialektische Form entnahm, um sich, wie sie meinte, auf diese Weise niet- und nagelfest zu machen, und zum Theil auch einen materiellen Gebrauch von den Philosophemen der Alten machte. S. die theol. Abh.

18 Wenn "drob" auf "Tugend" bezogen wird, so ist der Sinn: Ohne Tugend wären wir Menschen schlechter, als die unvernünftigen Thiere, denen die Anlage dazu fehlt. Wenn es aber auf "Weib" bezogen wird, so ist der Sinn: Ohne die göttliche Offenbarung in der Theologie wären wir übler daran, als die unvernünftigen Thiere, bei denen kein Mangel unausgefüllt bleibt.

19 Unter dem die Erde zunächst umkreisenden Mondhimmel.

20 Th. A. sagt, das die Seligen den Himmel auch mit in die Hölle hinübernehmen, gleichwie ein Bischof, wenn er den Bischofsstuhl verläßt, seine Bischofswürde mitnimmt.

21 Die Hölle in der Mitte der Erde, von der auch Th. A.q. sagt: "Sie verhält sich zum Himmel, wie das Centrum zur Peripherie."

22 Die Höllenflamme kann nur den fassen, der Höllenzunder in sich trägt.

23 Die zarte Frau .., als das Ideal aller Weiblichkeit, ist, eben weil sie nicht näher bezeichnet wird, Maria. Zum Symbol der zuvorkommenden Gnade paßt sie vermöge ihres Fürsprecheramts. P. 33, 18 wird von ihr ausdrücklich gesagt, daß sie der Bitte oftmals zuvorkommt. Daß ihr Name verschwiegen wird, deutet wohl zugleich auf die geheimnißvollen Anfänge der zuvorkommenden Gnade.

24 Eben als Fürsprecherin.

25 Lucia, deren Name von lux (Licht) kommt und die wohl auch von solchen, die an ihren leiblichen Augen litten, angerufen wurde, schickt sich ebenfalls sehr wohl zu einem Sinnbilde der erleuchtenden Gnade. "Dein Treuer" im folgenden Verse scheint darauf hinzudeuten, daß Dante eine besondere Verehrerin dieser heiligen war.

26 Es wäre aber grausam gewesen, dem treuen Dante nicht aus seiner grausamen Lage zu helfen.

27 Sehr sinnig sitzt Beatrice, die beseligende Theologie, neben Rahel, dem Sinnbilde der Contemplation (F. 27, 100-108), durch die sie zuletzt zur Anschauung Gottes von Angesicht zu Angesicht, dem Anfange und Ende aller Seligkeit, führt.

28 Als menschliche Persönlichkeit hat sie auf Erden durch ihren Wandel Gott gepriesen und preist ihn nun im Himmel durch Hallelujahsingen (H. 12, 88). Im sinnbildlichen Sinne als Theologie lehrt sie Andre Gott wahrhaft preisen und als gratia perficiens hilft sie ihnen dahin aus, wo die Vollendeten Hallelujah singen.

Die Ordnung der drei Frauen paßt ebensowohl zum eigentlichen, als zum figürlichen Sinne. - Maria beginnt nach katholischer Lehre mit Fug und Recht das Werk der Bekehrung; diese wendet sich ebenso natürlich an eine Kirchenheilige, für die sich Dante interessirt, und diese sendet Beatrice, die Jugendgeliebte, die ihn schon während ihres Lebens durch ihr ideales Verhältniß zu ihm wenigstens dem gemeinen Haufen entrissen. - Zuerst zeigt sich die zuvorkommende, sodann die erleuchtende, endlich die vollendende Gnade um den Sünder beschäftigt.

29 Sie liebte ihn also mehr, als der natürliche Mensch sich selber liebt und erfüllte somit das zweite Hauptgebot "Du sollst deinen Nächsten lieben, als Dich selbst", denn wer den Nächsten, wie sich selber liebt, der liebt ihn ja eben mehr, als sich selbst. Das kann man aber nur dann, wenn man, wie Beatrice, Gott über Alles liebt.