Von
der Hölle.
Vierzehnter Gesang.
Inhalt. |
||||||||
Die Dichter gehen in den dritten Unterkreis hinein, der ein sandigtes Feld ausmacht, wo es breite Feuerflammen regnet, mit denen die Gewaltthätigen, welche Gott lästern oder die Natur misbrauchen, gemartert werden. Erst sehen sie die Gotteslästerer, die auf dem Rücken unter den Flammen liegen. Hernach kommen sie an den Fluß Phlegeton, und Virgilius redet von dem Ursprunge dieses Flusses, und der andern höllischen Gewässer. Die Liebe zu dem Geburtsorte zwang mich, daß ich die zerstreuten Zweige sammlete, und sie dem wiedergab, der schon ganz heisch war. Von da kamen wir an das Ende, wo sich der andere Unterkreis von dem dritten scheidet, und wo man ein schreckliches Kunstwerk der Gerechtigkeit sieht. Soll ich diese neuen Sachen recht deutlich darstellen, so muß ich sagen, daß wir an eine Ebene hinkamen, die von ihrem Boden alle Gewächse und Pflanzen entfernet. Der schmerzhafte Wald, so wie der traurige Graben, sind gleichsam ihr Kranz, der sie rings herum einfasset. Kaum, kaum konnten wir hier fußen. Das Pflaster ist ein brennender und dicker Sand, von keiner andern Art, als derjenige, welcher ehedem von Catons 045 Füßen betreten ward. 98 O göttliche Rache, wie sehr mußt du nicht von einem jeden, der hier das lieset, was meinen Augen offenbaret wurde, gefürchtet werden! 99 Mein Lehrer, fing ich hier an, der du, nur nicht die harten Teufel, die beym Eingange jenes Thores auf uns so heraus fielen, zu zwingen, sonst alles weissest, und vermögend bist, wer ist jener Große, der den Brand so gar nicht zu achten scheint, und so spöttisch und verkehrt da liegt, daß es das Ansehen hat, als werde ihn der Feuerregen nicht sonderlich reifen? Und dieser selbst, weil er gewahr wurde, daß ich meinen Führer nach ihm fragte, schrie: So wie ich im Leben war, eben so bin ich noch itzt im Tode. Und wenn Jupiter auch seinen Schmidt noch so sehr ermüdet, von dem er in seinem Grimme den scharfen Donnerkeil nahm, der mich an meinem letzten Lebenstage erschlug - und wenn er sie auch alle im Aetna auf dem schwarzen Hammer, und wechselsweise sie abmattet, und noch so sehr: Hilf, treuer Vulcan, hilf! dazu schreyet, so wie er in der Schlacht bey Phlegra that 047 - und dann alle seine Pfeile aus seiner ganzen Allmacht auf mich abschießet - so soll er doch die frohe und erwünschte Rache nimmermehr schmecken! Stillschweigend kamen wir dahin, wo außer dem Walde ein ganz kleiner Fluß hervorschoß, über dessen Röthe ich mich noch entsetze. So wie aus jenem Viterbischen Quell ein Bach herabfließt, den hernach die Sünderinnen 048 unter sich theilen - eben so fließt dieser hier durch den Sand hinunter. Der Grundboden davon, und die beyden abhängenden Seiten, und die Ufer an dem Rande waren von Stein verfertiget. Ich sahe also wohl, daß man da gehen konnte. Unter allem, was ich dir gezeigt habe, seitdem wir zu dem Thore 101 hereingiengen, das Niemanden zum Einlaß verschlossen ist, hat dein Auge so was merkwürdiges, als dieser Fluß ist, noch nicht wahrgenommen, der alle Flammen über sich auslöschet. So sprach mein Führer. Ich bat ihn daher, daß er nun das Verlangen, welches er in mir erreget hätte, mir durch den wirklichen Genuß auch stillen möchte. Wenn gegenwärtiger kleine Fluß, sagte ich hierauf, also von unsrer Welt sich herleitet, warum erscheint er uns nur an diesem aüßersten Ende? Du weißt, war seine Antwort, daß der Ort rund ist. Und so weit du auch schon in den Abgrund gekommen bist, so bist du, weil du dich immer bloß an der linken Seite herab gelassen hast, noch nicht durch den ganzen Umfang herum. Was sich daher Neues in demselben zeigt, darf deinen Augen nicht wunderbar vorkommen. Mein Lehrer, erwiederte ich, wo ist aber Phlegeton und Lete? Denn von dem einen schweigst du gar, und von dem andern sagst du nur, daß er von jenen Thränentropfen entspringe. Ich versichre dich, antwortete er, in allen deinen Fragen gefällst du mir. Jedoch das Aufwallen des rothen Wassers sollte wohl die eine von den beiden Fragen, welche 104 du itzt an mich gethan hast, beantworten. Und den Lete wirst du, wiewohl außer dieser Tiefe, zu sehen bekommen, dort, wo die Seelen hingehen, und sich waschen, wann die gebüßte Schuld ihnen erlassen wird. Doch nun ists Zeit, daß wir uns von dem Walde entfernen. So komm denn dicht hinter mir her. Die Ufer lassen uns den Weg frey, weil sie nicht brennen, und über ihnen aller Dunst verlöschet. Anmerkungen: H045 Auf der Flucht des Cato in dem sandigten Lybien mit der übrig gebliebenen Armee des Pompeius, die er da führte. H046 Ein Brief Alexanders des Großen an den Aristoteles soll dieses erzählen, daß er des Nachts von einem Theile der Armee so habe vorarbeiten lassen, und darauf mit dem übrigen Heere fortgezogen sey. H047 In Thessalien, wo die Riesen, die den Himmel bekriegten, vom Jupiter mit Donnerkeilen zerschmettert und überwunden wurden. Capaneus bediente sich unter andern vor Theben dieser gotteslästerlichen Reden: Ich frage, sagte er, nach den Strahlen Jupiters eben so viel, als nach der Mittagswärme, und ich will auch wider seinen Willen die Stadt erobern. H048 Im gelindesten Verstande, ungesunde Personen, die das Viterbische Bad, unter bekanntem Zeitvertreibe, zu ihrer Gesundheit brauchen. Viele stellen sich krank, und werden es wirklich im Bade. Viele sündigen sich krank, und ergetzen sich im Bade noch kränker. Doch hebt der Misbrauch den rechten Gebrauch nicht auf. Und hilft dieser auch nicht allezeit, so straft jener gewiß beständig. H049 Dieser König hieß Saturnus, unter dessen Regierung die Menschen züchtig, aufrichtig, freundschaftlich, friedlich, und vergnügt ohne Reue lebten. Ein solches glückseliges Leben bewirken tugendhafte Beyspiele der Großen! Saturn war ein weiser Antonin, gelinde, wie Trajan, groß, wie August.
zurück Der große Greis im Berge bedeutet hier die Zeit. Die verschiedenen Metalle zeigen die verschiedenen Zeitalter der Welt, und Sitten, Gebräuche und Gewohnheiten an. Die Thränen sind hier vorzüglich alle Wirkungen und Erfolge des Hauptlasters der Unzucht, von dem das Glück der Welt untergraben wird, und alles Elend und Unglück der Menschen vorzüglich herrührt.
|