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Die Dichter kommen in dem andern Kreise an. In diesem werden die Seelen vom Neide gereiniget. Sie gehen ein wenig in demselben fort. Plötzlich hören sie einige Geister, welche im Vorbeyfliegen an Beispiele der Liebe erinnerten. Hierauf sehen sie die Seelen der Neidischen. Diese sangen Litaneyen der Heiligen. Und Dante redet mit einem sanesischen Frauenzimmer. Nun befanden wir uns auf der höchsten Stufe, wo der andre Abschnitt des Berges sich anfängt, des Berges, der alle die ihn besteigen, entsündiget. Daselbst fasset eben eine solche Ebene, als die erste war, den Hügel rings herum ein, außer daß ihr Bogen sich in einen kleinern Umfang zusammenbiegt. Weder Seelen, noch Bildnisse zeigen sich hier den Augen. Das Seitenufer erscheint, so wie die Straße, ganz rein, und ihre Steine haben eine gleiche, eine schwarzgelblichte Farbe. Wenn wir hier auf Seelen, um nach dem Wege zu fragen, warten wollen, so befürchte ich, die Vollziehung unsrer Wahl möchte zu spät erfolgen. Also sprach mein Lehrer. Hierauf heftete er die Augen auf die Sonne. Dann machte er eine Wendung, gleich einem halben Zirkel, von der linken zur rechten Seite herum, und rief: Gütiges Feuer! Blos im Vertrauen auf dich, trete ich hier einen neuen Weg an. So führe uns dann, wie man in diesem Kreise geführt werden muß! 93 Dein Licht erwärmet, dein Licht erleuchtet die Welt. Und wirft sich kein Hinderniß wider dich auf, so müssen deine Strahlen stets Führer seyn. Sie haben keinen 091 Wein. So rief die erste vorüberfliegende Stimme laut daher. Und so ertönte dieselbe zu oft wiederholten Malen hinter uns fort. Noch ehe diese, wegen ihrer Entfernung, sich gänzlich aus unsern Ohren verlor, erschallte schon eine andre. Ich bin 092 Orest, rief sie vor uns vorbey. Und auch sie 94 hielt sich im geringsten nicht auf. Mein Vater, o! was sind das für Stimmen? So fragte ich noch, als die dritte Stimme rief: Liebet eure Feinde! Blos vorüberzugehen, und andere, von ihnen ungesehen, nur anzuschauen, dieß schien mir beleidigend zu seyn. Daher wandte ich mich nach meinem weisen Rathgeber herum. Er verstand, was mein Stillschweigen nicht sagte. Deswegen erwartete er meine Frage nicht. Rede, sagte er vielmehr, nur rede kurz und scharfsinnig. Virgil stellte sich auf der Seite der Ebene zu mir hin, wo man hinunterfallen konnte, weil sie kein Ufer da einfasset. Auf der andern Seite befanden sich neben mir die andächtigen Schatten, welche die erschreckliche Naht so ängstlich preßte, daß ihre Wangen in Thränen schwammen. O! mein Bruder, wir alle sind Bürger in einer wahren Stadt. Vermuthlich redest du von einer Seele, die ehedem, als ein Fremdling, in Italien lebte. - Diese Worte hörte ich, so wie mich dünkte, etwas weiter vor, als wo ich stand, mir zur Antwort erschallen. Daher ließ ich mich noch näher dorthin spüren. Unter andern sah ich einen Schatten, der, seinem Gesichte nach, etwas von mir erwartete. Eben so, als wenn Jemand sagen will: Wie? erhob er, nach Gewohnheit der Blinden, das Kinn hervor. O! Geist, sagte ich itzt, der du zur Ersteigung jener Höhe dich hier beugest, bist du vielleicht der Schatten, welcher mir so eben antwortete, o! so gieb dich, entweder durch Bekanntmachung deiner Geburtsstadt, oder deines Namens mir zu erkennen! Auch mir, antwortete ich, werden noch hier, wiewohl nur auf eine kurze Zeit, die Augen erblinden. Denn die Beleidigung ist nicht beträchtlich, mit der sie sich, mit Neid in ihren Blicken, verschuldet haben. Weit mehr Furcht vor der Marter hier unten lassen Zweifel und Unruhe in meiner Seele mich empfinden, so, daß ich die schwere Last dort unten bereits fühle. Wer hat dich also, unterbrach sie itzt meine Rede, hier zu uns heraufgeführet, wenn du wieder dort hinunter zu kommen glaubst? Der, war meine Antwort, der hier bey mir ist, und itzt nicht redet. Und ich bin noch am Leben. Eröffne mir also, auserwählter Geist, dein Verlangen, ob ich jenseits noch meine sterblichen Füße für dich bewegen soll. O! dieß, antwortete er, befremdet meine Ohren, als etwas Unerhörtes, und ist zugleich ein großer Beweis, daß Gott dich liebet. So komm mir daher mit deiner Vorbitte zu statten! Und so bitte ich dich um deiner vorzüglichen Wünsche willen, setze mich bey meinen Blutsverwandten, dafern du Toskanens Erdboden irgend noch einmal betrittst, wieder in guten Ruf! Unter jenem eiteln 096 Volke wirst du sie finden, welches itzt 99 auf den Talamon hoffet. Allein diese Hoffnung wird ihm eben so fehlschlagen, als jene, die Diana zu finden, sie alle täuschte. Und wie vorzüglich vor dem Volke hoffen nicht schon die Admirale! Anmerkungen: F091 S. das 2. Kap. des Evang. Johannis. F092 Orestes, ein Prinz Agamemnons, errichtete mit seinem Vetter, dem Prinzen Pylades, eine unzertrennliche Freundschaft. In Tauris sollten sie einst beide, nach den dasigen Gesetzen, als Fremde, geopfert werden. Die Opferpriesterinn ward bey ihrem Anblicke von Mitleiden gerührt, und erbot sich, wenigstens einem das Leben zu erhalten. Sie bot es dem Orestes an. Orestes schlug es größmüthig aus. Ich habe, sagte er, den Tod verdient. Und mein unschuldiger Freund verdient das Leben. Pylades macht ihm die zärtlichsten Vorwürfe. Mein Tod, sagt er, soll dir dein Leben retten, oder ich will wenigstens mit dir zugleich geopfert seyn. So streiten sie, aus Liebe, um den Vorzug, zu sterben, als die Opferpriesterinn und Orestes sich endlich als Schwester und Bruder erkennen. Und hierauf retten sie sich alle drey mit einer schleunigen Flucht. F093 Diese war ein adeliches Frauenzimmer aus Siena, welches aus ihrem Vaterlande ins Elend nach Colle verjagt wurde. F094 Ein gelinder und angenehmer Jenner brachte eine Amsel auf den Gedanken, der Winter sey nun vorüber. Sie entfloh ihrem Herrn, und sang: Nun achte ich meinen Herrn nicht weiter, ich habe den Winter überstanden. Allein die Reue erfolgte bald, weil kurz darauf eine rauhe und kalte Witterung wieder einfiel. F095 Ein florentinischer und heiliger Einsiedler. 10.06.2006 |