Miscellaneous

 

Viertes Capitel.

Dante's Schriften und besonders die göttliche Komödie.

(Originaltext Seite XL) Die sämmtliche Schriften Dante's sind folgende. Die prosaischen: 1. la vita nuova, das neue Leben; 2. il Convito oder Convito amoroso, das Gastmahl; 3. Monarchia; 4. de vulgari eloquio; 5. mehrere Briefe. - Die poetischen: 1. die weltlichen Gedichte, eine, doch nicht von Dante selbst gemachte, Sammlung von 26 Sonetten, 7 Balladen, 1 Sestine und 26 Canzonen; 2. die geistlichen Gedichte, bestehend in 7 Bußpsalmen und in dem Glauben, il Credo, 3. la divina Commedia. Außerdem finden sich noch 7 Sonnette als Zuschriften an seine Freunde oder Antworten auf die ihrigen und 2 Epigramme. - Dante's Schriften sind zum Theil in lateinischer, zum Theil in der neu sich bildenden italienischen Sprache abgefaßt. Das neue Leben, italienisch geschrieben, enthält, wie schon oben erwähnt, die Erzählung seiner Liebe zu Beatrice und ist mit Gedichten untermischt: das, auch italienisch geschriebene, Gastmahl, eine sehr weitläufige Erklärung von drei Canzonen des Dichters. Die Monarchie ist lateinisch geschrieben und hat den Titel: Dantis Alighieri Florentini Monarchia, scripta temporibus Ludovici Bavari. Ist diese Zeitbestimmung richtig, so fällt ihre Abfassung nach 1313; dieser Titel ist indeß offenbar irrig und veranlaßt durch die vielen Parteischriften unter Ludwig dem Baier und Johann dem einundzwanzigsten, die in einem eigenen Bande von Goldast zusammen gedruckt sind. Boccaccio sagt dagegen, daß sie bei der Ankunft Heinrichs in Italien geschrieben sey. Sie ist sehr wichtig, denn es liegt in ihr unstreitig der Kern der politischen und religiösen oder kirchlichen Ansicht des Dichters: denn er stellt in diesem Buche das Verhältniß des Papstes und Papstthums zu (XLI) dem römischen Kaiser und Kaiserthume dar. Es ist in drei Theile getheilt. In dem ersten wird untersucht, ob die Monarchie, d. h. das Kaiserthum oder die weltliche europäische Kaiserherrschaft zum Glück der Welt nothwendig sey; in dem zweiten wird behauptet und bewiesen, daß man unter dieser Monarchie das römische Kaiserthum zu verstehen habe, weil sie von den Römern ausgegangen sey, und daß die Römer ein Recht dazu hätten und kein anderer; in dem dritten wird auseinandergesetzt, daß diese weltliche Monarchie nur allein von Gott abhange und nicht von einem Stellvertreter Gottes, d. h. dem Papste. Die Schrift ist in einem barbarischen Latein abgefaßt, die Beweisführung meistens ganz trocken und scholastisch; aber es sind viele neue und auffallende Behauptungen darin und sie scheint ganz polemisch gegen den Papst oder ghibellinisch. Dennoch tadelt Dante eigentlich nur die Anmaßungen der Päpste und legt die Idee der geistlichen und weltlichen Herrrschaft dar. Er zeigt sich dabei höchst parteilos, vermeidet in der ganzen Schrift die gehässigen Parteinamen und erwähnt seiner Verbannung nicht. Desungeachtet ward diese Schrift, mehrere Jahre nach dem Tode des Verfassers, auf besondere Veranlassung als ketzerisch verbrannt und fast hätten Dante's Gebeine dasselbe Schicksal gehabt. - Die vierte und letzte größere prosaische und ebenfalls in lateinischer Sprache ursprünglich geschriebene, nachher aber von Trissino im sechzehnten Jahrhundert in's Italienische übersetzte Schrift des Dante hat den Titel de vulgari eloquio und ist eine Untersuchung über die Sprache. Dieß Werk sollte vier Theile haben, es sind aber nur zwei davon beendigt. In dem erstern setzt er den Begriff der neuern italienischen Schriftsprache auseinander: sie besteht in einer Auswahl des Bessern aus den verschiednen Mundarten Italiens; im zweiten Theile untersucht er zuerst, wer diese neue Sprache, das volgar illustre, anwenden dürfe und in welchem Stoffe. Die Antwort, die (XLII) sich aus dem Weitern ergiebt, ist der Dichter in der Dichtkunst. Er theilt die Dichtkunst in drei Gattungen, Lieder des Kriegs, der Liebe und der Tugend, und führt als Beispiele immer je zwei Dichter auf, einen provenzalischen und einen italienischen. Dann geht er zu den Liederformen über und handelt die Gesetze der Canzone ab, wobei er viele frühere und damalige neuere Dichter anführt. Dante erscheint in dieser Schrift als ein Begeisterter und Eiferer für seine Muttersprache: er tadelt sowohl diejenigen, welche sich der Pöbelsprache, als die, welche sich einer fremden Sprache in ihren Schriftwerken bedienen, und schont dabei selbst seinen verehrten Lehrer Brunetto Latini nicht, weil dieser eins seiner Werke in französischer Sprache schrieb. Hier eine Probe von Dantes Begeisterung: "Was Wunder, wenn uns die innigste Liebe für die Muttersprache erfgreift? Sie ward gesprochen von unsern nächsten Anverwandten, sie verband unsere Eltern, sie nahm zuerst Besitz von unserm Geiste, sie führte in das Leben des Wissens ein, welches die höchste Vollkommenheit gewährt; mit ihr haben wir Umgang gepflogen von Beginn unsers Lebens an." - Aber dann fordert er auch auf, diese schöne Sprache ihrem rohen Zustande zu entreißen; und wohl hält er dieß für keine kleine Sache, denn er sagt: " Hüte sich aber ein jeder und unterscheide wohl, was wir sagen, und wenn er jene drei Dinge besingen will, den Krieg, die Liebe, die Tugend, so trinke er zuvor aus dem Quell des Helikon, um ohne Fehl die gestimmten Saiten mit dem Plektrum zu berühren. Aber dieß zu thun, wie es gethan werden muß, das ist die Schwierigkeit, das ist die Arbeit, und ohne Schärfe des Geistes, ohne Beharrlichkeit in der Kunst, ohne Fertigkeit in der Behandlung wird es nicht gelingen. Es gelingt aber denen, welche der Dichter im sechsten Buche der Aeneide Lieblinge des Jupiter nennt, himmelerhobene Tugendseelen, Söhne der Götter. Und deswegen verkenne man nicht den Unverstand derjenigen, welche, (XLIII) ohne Kunst, ohne Wissenschaft, bloß auf ihr Genie vertrauend, hoch zu singen beginnen die höchsten Dinge."

In jenen aber, welche hier so eben beschrieben sind, denen es weder an Fleiß noch an Einsicht und Geist fehlt, zu den Lieblingen der Götter und der Musen gehört Dante, und als wahren, als tugendentbrannten Dichter zeigt er sich in seinem großen Gedichte. Die vier erwähnten prosaischen Schriften sind nur als Vorläufer desselben anzusehen: in der ersten erscheint der gefühlvolle liebende Jüngling und beginnende Dichter, in dem Convito der Philosoph, in der Monarchie der Politiker, der unparteiische Beobachter des Weltlaufs, in der letztern der Grammatiker, Kritiker, Aestetiker und begeisterte Freund des Vaterlandes; in der divina commedia der reife Dichter oder vielmehr der in der Dichtkunst alle Fäden seines Daseyns, seines Wissens, seiner Ansichten, seiner Freuden und Schmerzen verbindende Mensch. Denn wenn man von dem Homer rühmt, daß er sich ganz über seinen Gegenstand vergesse, so muß man gestehen, daß Dante sich in den Vordergrund stellt, daß alle Uebrigen nur Nebenpersonen sind, indem er ja durch Hölle, Fegfeuer und Paradies geht, und zwar er mit seinem ganzen Zorne gegen Guelfen und Ghibellinen, gegen den Eigennutz der Geistlichkeit und Päpste, gegen die Fehler und Leidenschaften der Fürsten, der Könige und Kaiser, mit seinem Ingrimme gegen die Verderbtheit des florentinischen Volks und Staats und besonders gegen die Führer und Oberhäupter desselben, mit seiner bittern Klage über das eigene Schicksal, über die Verbannung aus der trotz aller Verderbniß der Florentiner doch so süßen Heimat, aus den Mauern der Vaterstadt Florenz. Aber eben diese Beziehungen des Dichters auf sich selbst geben der göttlichen Komödie einen so großen Reiz, eine so ausgezeichnete Eigenthümlichkeit.

Fragen wir nun zuerst nach der Entstehung dieses Gedichts, nach seiner Geschichte! Wahrscheinlich hat Dante (XLIV) einen großen Theil seines Lebens daran gearbeitet, und nach dem Schlusse der vita nuova zu urtheilen, wo er von dem Vorsatze spricht, die Verklärte auf eine würdige Weise zu verherrlichen, und nur so lange, d. h. bis zur Verwirklichung und Ausführung dieses Vorsatzes zu leben wünscht, ist es klar, daß er schon damals, d. h. gleich nach dem Tode der Beatrice, welcher 1290 erfolgte, den Gedanken zur D. C. faßte und sich also über 30 Jahre mit der Abfassung und Vervollkommnung derselben beschäftigte, insofern er sie nur erst kurz vor seinem Tode, er starb 1321, beendigt zu haben scheint. Nach einem später aufgefundenen, zwar nicht ganz glaubwürdigen Briefe eines Mönches Ilario, wäre er erst im Jahre 1310 mit der Hölle fertig gewesen, und diese späte Vollendung spräche nicht gegen den frühen Anfang, welchen eine Anekdote bestätigt, der zufolge Dante einen Schmidt, welcher bei seinem Amboß, und einen Eseltreiber, der auf der Straße eine Stelle aus der Hölle sang, hart anließ, weil sie seine Verse verstümmelten oder sich Veränderungen und Zusätze erlaubten. Dieß soll zu Florenz geschehen seyn, also vor 1302, dem Verbannungsjahre des Dante. Dieß mußten Verse aus den sieben ersten Gesängen seyn, denn mehr war nach Boccaccio's Bericht damals noch nicht fertig. Aber daß dies unvollendete Gedicht so frühe schon im Munde des Volks gewesen sey, ist sehr unwahrscheinlich und die Anekdote daher sehr verdächtig. Das Purgatorium erschien wahrscheinlich erst ein Jahr vor seinem Tode. Die Bekanntmachung des Paradieses erlebte er nicht mehr. Boccaccio's Bericht darüber lautet so: Dante hatte das Paradies dem großen Can mit einem Briefe, welcher sich erhalten hat, zugeeignet, aber es ihm nur theilweise geschickt, so wie es allmälig fertig wurde. Nun fehlten noch 13 Gesänge, als er starb. Seine Söhne vermutheten zwar, daß sie vorhanden wären, und suchten danach, aber vergeblich. Und schon wollten die beiden ältesten, Jakob und Peter, welche Verskünstler waren, (XLV) das väterliche Werk zu ergänzen versuchen; als Jakob, welcher der eifrigste in der Sache war, einen seltsamen Traum hatte, in welchem er die Erscheinung seines in ein weißes Gewand gekleideten und von strahlendem Lichte umgebenen Vaters sah und auf seine Frage, ob er lebe, die Antwort erhielt, er lebe, nämlich nicht im irdischen, sondern im wahren Leben. Die zweite Frage, ob er sein dichterisches Werk vollendet habe, bejahte der Vater, nahm den Sohn bei der Hand und führte ihn nach seinem ehemaligen Schlafzimmer und bezeichnete ihm einen Ort, wo das Fehlende sich befinde. Jakob erwachte, ging an den bezeichneten Ort und fand dort hinter einer Matte oder Tapete in einer Oeffnung der Wand wirklich die dreizehn schon durch die Feuchtigkeit verstockten und beinahe verdorbenen Gesänge. Diese wurden dann sogleich dem Can überschickt.

Die göttliche Komödie war nicht sobald bekannt geworden, als man sie allgemein bewunderte, sowohl wegen ihres Inhalts, als auch wegen der Form, besonders wegen der Volkssprache, der ein neues höheres Leben dadurch eingehaucht war. Man fing auch bald an das Gedicht schriftlich zu erklären, zuerst wahrscheinlich der älteste Sohn des Dichters, Peter, welchem mehrere nachfolgten. Auch wurden schon im vierzehnten Jahrhundert Lehrer auf den italienischen Universitäten zur Erklärung der D. C. angestellt. Florenz machte den Anfang, indem man daselbst den 7. April 1373 den öffentlichen Beschluß faßte, auf Bitten vieler Bürger, welche tugendbeflissen wären und zumal Dante verstehen zu lernen wünschten, einen öffentlichen Lehrer zur Erklärung der D. C. für die Besoldung von 100 Ducaten anzustellen. Boccaccio nahm diesen Lehrstuhl zuerst ein und eröffnete seine Vorlesungen am 20. October desselben Jahres in der St. Stephanskirche unter einem großen Zulauf von Zuhörern. Diese sind gedruckt erschienen, erstrecken sich aber nur über die ersten 16. Gesänge der (XLVI) Hölle. Mehrere Universitäten ahmten Florenz nach, z. B. Bologna, Pisa, Venedig, Piacenza. Für den Text des Dante giebt es drei Perioden. Die erste fängt an von der ersten gedruckten Ausgabe 1472 bis zur ersten Ausgabe von der Akademie della Crusca; die zweite von 1595 bis 1791, in welcher der Text der Crusca zum Grunde gelegt ist; die dritte von 1791 bis jetzt, in welcher man von der Crusca wieder abgewichen ist. Einige der wichtigsten namhaften Erklärer sind: Boccaccio, Benvenuto von Immola, Landino, Vellutello, Daniello, Volpi, Venturi, Lombardi, Romanis, Biagioli. - Uebersetzt ist die D.C. ins Lateinische sehr früh von Matteo Ronto, in lateinische Hexameter von Aquino 1728; in's Spanische von Villegas 1515, in's Französiche von mehrern, ganz neuerlich die Hölle mit Erklärungen von Brait de la Mathe 1823; auch in's Englische; in's Deutsche von Bachenschwanz in Prosa 1767-69; bloß die Hölle in reimlosen Jamben von Jagemann in dem Magazin der italienischen Literatur und Künste von 1780 an; ferner von A. W. Schlegel in den Horen vom Jahre 1795, mit einem zwischelaufenden Commentar, ebenfalls nur die Hölle und zwar in Bruchstücken, zum ersten Mal im Versmaß der Urschrift, doch mit der Erleichterung, daß von drei Reimzeilen nur zwei gereimt sind; ganz neuerlich endlich die Hölle von Streckfuß ganz im Versmaß des Originals mit Einleitung und einigen Anmerkungen. Von meiner Uebersetzung erschien der erste Theil 1809, der zweite 1814 mit einem Nachschusse der Auflage des ersten Theils, der dritte 1821.

Die göttliche Komödie ist die Darstellung einer Reise des Dichters durch Hölle, Fegfeuer und Paradies, gewiß ein sehr dichterischer Gedanke; aber ob ein neuer, dem Dante eigenthümlicher, ursprünglicher, dies hat man bezweifelt. Man sagt, mehre Dichter haben ihn vor ihm, er hat ihn von diesen entlehnt und einzelne Gedichte dieser Art benutzt. Diese Gedichte (XLVII) sind erstens zwei französische Erzählungen, der Traum von der Unterwelt oder der Weg zur Unterwelt, und der Spielmann, der zur Unterwelt geht; sodann der Roman Guerino der unglückliche; ferner die Verzückung des Mönchs Alberich, und endlich der Tesoretto des Brunetto Latini.

Es ist nicht zu leugnen, daß sich die Hauptidee und auch manche Einzelheiten in diesen Gedichten finden, die man in der D.C. wiederfindet. Wollte man aber in einem Vorgänger den Keim zu Dante's großem Gedichte suchen, so wäre es ja wohl am ersten im Virgil, nämlich im sechsten Buche der Aeneide, wo Aeneas von der kumäischen Sibylle geleitet zur Unterwelt hinabgeht. Denn Virgil ist Dante's höherer Lehrmeister und gilt ihm mehr als Brunetto Latini. Aber auch Virgil hat ihm die Idee nicht an die Hand gegeben, sondern diese liegt in dem Glauben der Zeit, in dem katholischen Lehrbegriff, und jeder selbst wenig begabte Dichter, dergleichen die Verfasser der vorher angeführten Poesien waren, mußte, wenn er ein allegorisches Gedicht dieser Art machen wollte, auf einen solchen Plan fallen. Sie war also gegeben, er brauchte sie nur zu benutzen. Aber wie steht es dann mit der Erfindung? So hat also Dante diesen Grundgedanken gefunden, nicht erfunden; so wenig allerdings als Homer die Mythologie seiner Ilias und Odyssee, oder Milton den Satan und die ersten Menschen seines verlornen Paradieses, oder der Verfasser der Nibelungen die Riesen und Zwerge und Meerweiber seines Gedichtes. Es ist ein Glück für einen Dichter, wenn er eine solche Poesie, einen solchen noch lebendigen Glauben in seiner Zeit, in seinem Volke vorfindet: aber die Benutzung desselben macht doch erst den Dichter. Die griechische Mythologie war längst vorhanden, und doch gab es keine Ilias vor Homer, keine nach ihm; der Glaube an Hölle, Fegefeuer und Paradies entstand nicht erst zur Zeit des Dante, auch gab es freilich die genannten Versuche, aber keine göttliche Komödie; denn was sind jene anders (XLVIII) als matter Dämmerungsschimmer vor dem Aufgange der Sonne. Die Bekleidung des Grundgedankens macht denn auch eigentlich die Erfindung des Dichters aus. Vergleicht man Dante daher im Ganzen und Großen mit seinen Vorgängern, so ist seine Eigenthümlichkeit keinem Zweifel unterworfen; denn was sind alle jene Entlehnungen, als unbedeutende Zierrathen seines großen ungeheuern Kunstgewebes, oder Vorzüge, die durch seine Benutzung erst Bedeutung, Werth und Leben erhalten haben?

Das große Gedicht des Dante trägt schon in seiner äußern Form, d. h. in dem Versmaß, so wie in seinem Titel den Stempel der Eigenthümlichkeit. Denn wenn gleich Berunetto Latini in einem seiner Gedichte, dem Pataffio, sich der Terzine oder terza rima schon bedient hat, so gab Dante doch diesem Verse erst seinen wahren Charakter, und wenn die äußere Form durch die Innere bedingt wird, so läßt sich dieß besonders von der D.C. sagen, indem die Verschlingung der drei Reime in diesem Versmaße etwas unendliches ausdrückt, und die beiden Gränzpuncte, Anfang und Ende, durch das Reimen von nur zwei Zeilen, der ersten und dritten von vorn, und der dritt-letzten und letzten am Schluß, wodurch eben die künstliche Reimverschlingung erst möglich wird, sich wieder verbinden und ein in diesem Versmaße geschriebenes Gedicht einem Kreise gleicht, in dessen Peripherie nur willkürlich ein Anfangs- und ein Endpunct zu setzen ist. - Der Titel Komödie rührt schon vom Verfasser her, denn er sagt in dem Briefe an den großen Can: Libri titulus est: incipit Commedia Dantes, - und giebt zugleich den Grund an, warum er sein Gedicht so genannt habe: die Tragödie sey im Anfange bewundernswürdig und ruhig, am Ende furchtbar (foetida et horribilis), die Komödie fange rauh an und endige glücklich; so habe auch jene eine hohe und erhabene, diese eine nachlässige und niedere Sprache; sein Gedicht sey nun in Absicht des Inhalts im Anfange furchtbar, zum Schluß (XLIX) aber erfreulich, die Sprache aber sey die gewöhnliche, deren sich die Frauen bedienten. Deswegen habe er mit Recht seinem Gedichte den Titel Komödie gegeben. - Der Beisatz göttlich, divina, rührt aber nicht von ihm her, sondern ist aus späterer Zeit und drückt die gerechte Bewunderung der Nachwelt aus; wenigstens können wir ihn in diesem Sinne nehmen, sollte auch nur der Inhalt dadurch bezeichnet seyn. - Auch über die Auslegung giebt uns Dante in jenem Zueignungsbriefe einen Wink, indem er sagt: "der Sinn dieses Werkes ist nicht einfach, sondern vielfach - hoc opus dici potest polysensuum - nämlich wörtlich und allegorisch oder moralisch und mystisch. In dem erstern Sinne ist der Gegenstand des Gedichts: der Zustand der Seelen nach dem Tode." Ueber den allegorischen Sinn haben die Erklärer sehr verschiedene Meinungen aufgestellt. Aber Dante spricht ihn an dem angeführten Orte selbst aus mit den Worten: "Si vero accipiatur opus allegorice, subjectum est homo, prout merendo et demerendo per arbitrii libertatem justitiae praemiandi et puniendi obnoxius est," d. h. der Gegenstand des Gedichts ist der Mensch, je nachdem er vermöge seines freien Willens durch Verdienst oder Unverdienst und Missethat der belohnenden oder strafenden Gerechtigkeit unterworfen ist. - Diese einfache und von dem Dichter selbst gegebene Erklärung ist also gewiß die richtige; sie hat auch bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts gegolten; erst in den neuesten Zeiten hat man klüger seyn wollen als der Dichter und geglaubt, daß er den wahren Sinn absichtlich verborgen und die Nachwelt irre geführt habe. Wenn aber dieser Grundgedanke nicht zu verkennen ist, so kann man allerdings über die einzelnen Allegorien in Zweifel seyn, und gleich der erste Gesang der Hölle enthält dergleichen. Die Vorstellung, welche sich Dante von der Hölle macht seinem Werke zufolge, unterscheidet sich wesentlich von derjenigen, welche (L) andere Dichter in Werken ähnlicher Art niedergelegt haben, nämlich dadurch, daß diese sie nur in allgemeinen, kaum auffaßbaren Zügen darstellen, aus denen man sich schwerlich ein Bild zusammensetzen könnte, jener nicht bloß den Ort wohin er seine Hölle verlegt, und die Gestalt desselben ziemlich genau beschreibt, sondern auch in der Bestimmung und Begränzung des innern Raumes, des ganzen Weges durch die Hölle ziemlich in's Einzelne geht. Strenge und weit von einander geschieden sind Hölle, Fegefeuer und Paradies. Die erste ist innerhalb der Erde, das zweite auf der andern, damals noch nicht bekannten, Seite der Erdoberfläche, das dritte bilden die übrigen Weltkörper. Bei der Schilderung des Paradieses richtet sich Dante ganz nach dem damals geltenden ptolemäischen Weltsysteme; der Ort des Fegefeuers ist ein hoher Berg; die Hölle ist ein tiefer Abgrund innerhalb der Erde. Wenn aber das Räumliche der Planeten und der Himmel durch ihre Kugelgestalt schon im allgemeinen bestimmt war und Umriß und Körperlichkeit dort mehr verschwinden, so erhalten wir dagegen von der Gestalt des Fegefeuerberges und noch mehr von der Gestalt des Höllenschlundes und seiner besondern Abtheilungen eine hinlänglich genaue Beschreibung, vermöge deren man beide auch bildlich darstellen kann. Der Höllenschlund ist im ganzen kegelförmig oder trichterförmig, oben an der Erdoberfläche weit, unten eng und in eine Spitze zulaufend. Der Schlund ist von der Erde bedeckt und über oder auf ihm steht die heilige Stadt Jerusalem; die Spitze des Kegels oder Trichters bildet der Mittelpunct der Erde, in welchem Lucifer seinen Platz hat; von dem Mittelpuncte bis zur entgegengesetzten Erdoberfläche zieht sich nur ein schmaler Gang. Die Hölle ist also nur in der einen Halbkugel, der Maaßstab ihrer Tiefe ist der Radius derselben; der andere Theil der Erde oder die andere Halbkugel ist eine dichte Masse, jenen Fußsteig ausgenommen. Der Raum der Hölle ist hohl, aber er ist einem Trichter gleich (LI) mit mehrern übereinander aber nicht dicht aufeinander, sondern durch größere und und kleinere Zwischenräume oder leere Schichten getrennten, breiteren oder schmaleren Ringen, und diese Ringe sind die Wohnplätze der Verdammten. In der Mitte ist also von oben bis zum Mittelpuncte ein hohler Abgrund. Dante folgt bei dieser Versetzung der Hölle in den Schooß der Erde wohl weniger dem Virgil als der Bibel. Durch die Begränzung der Hölle, deren Weite Schlegel im Vergleich mit der Beschreibung von Milton und Klopstock enge und dürftig nennt, aber doch zugleich bemerkt, daß für die menschliche Kleinheit, der es schon am Rande eines Berges, eines vulkanischen Abgrundes schwindelt, eine Tiefe von einem halben Durchmesser der Erde in verhältnißmäßiger Weite wirklich unermeßlich ist: hiedurch, sage ich, gewinnt Dante unstreitig; die Einbildungskraft hat nun wenigstens scheinbar etwas woran sie sich halten kann, und Dante weiß uns durch die Ausmalung des Ortes allen Zweifel über die etwa nicht zureichende Ausdehnung zu benehmen, und durch das ewige Dunkel welches dort herrscht und das nur an einigen Orten durch Flammen erhellt wird, durch eine Finsterniß die wir bei der Vorstellung dieses Trichters gewissermaßen sehen, mit dem höchsten Schauer zu erfüllen. Die Gestalt der Hölle scheint mir nun eine treffliche moralische Deutung zuzulassen. Die Ringe sind, wie bereits erwähnt, die Aufenthaltsörter der Verdammten: die Größe dieser Ringe steht im umgekehrten Verhältnisse zu der Schuld der Sünder. Näher der Oberfläche, also auf den größeren Ringen sind die weniger Schuldigen; näher dem Mittelpunct oder der Spitze des Trichters, also auf den kleineren Ringen, die größeren Sünder. Es ist also mehr Platz für die leichteren, weniger für die schwereren Sünden; und so ist es zweckmäßig, so ist es der Natur der Sache angemessen: denn der geringern Vergehungen giebt es unendlich mehr als der groben Verbrechen und eigentlichen Schandthaten. (LII) Und so mildert Dante die Furchtbarkeit seiner Hölle einigermaßen, oder giebt dem schönen, sittlichen und wahren Gedanken Raum, daß kein Mensch völlig böse ist, dadurch nämlich, daß er den tiefsten Raum der Hölle, den Endpunct derselben nicht mehr mit Erdgebornen bevölkert, sondern daß diesen einzig und allein das Gegensatz alles Guten, das Ideal der Bosheit, der Vater der Sünde, Lucifer oder der Teufel einnimmt. Zu einer Erlösung aus der Hölle glaubte er sich freilich nicht durch die Bibel berechtigt. Nur unmerklich deutet er deswegen - eine vielleicht zu kühne oder gesuchte allegorische Erklärung - eine Erlösung an durch den engen Gang, der sich von den Füßen des Lucifer durch die andere Halbkugel zum Licht und zum Fegefeuer emporwindet, und auf welchem Dante, als Stellvertreter der Menschheit, der in die Hölle gerathene und aller ihre Schrecken theilhaft gewordene Wanderer, sich zum reinigenden Feuer und von da zum Paradiese erhebt.

Die Hölle ist in 9 Kreise oder Ringe getheilt, die den offenen Schlund, siehe Hölle 4, 124 und 16, 114, umgeben. Vor der eigentlichen Hölle ist aber ein Vorhof; dieser wird von den Seelen derjenigen Menschen bewohnt, welche weder gut noch böse waren, oder die sonder Schmach gelebt und sonder Ehre. Den ersten Ring sodann nehmen die tugendhaften Heiden ein, den zweiten die Wollüstigen, den dritten die Schwelger, den vierten die Verschwender und Geizigen, den fünften die Zornigen und Trübsinnigen, den sechsten die Ketzer, den siebenten die Gewaltthätigen, den achten die Betrüger, den neunten die Verräther. Von den drei letzten Ringen hat jeder wieder mehrere Unterabtheilungen oder kleinere Ringe, der siebente drei, der achte zehn, der neunte vier, so daß, wenn wir die Vorhölle mitzählen, der ganze Raum aus 24 verschiedenen Abtheilungen besteht. Man kann indessen auch zwei Haupttheile sondern, indem nämlich im sechsten Kreise die Höllenstadt ist. Die Bewohner dieser Stadt, sowie der untern Kreise (LIII) leiden viel schrecklicher, als die in den obern Kreisen. Bei dieser Eintheilung hatte Dante den Aristoteles vor Augen. Aristoteles nennt nämlich im siebenten Buche der Ethik drei Arten von Sünden, vitium, incontinentia und feritas. Dante ordnet incontinentia, feritas und vitium, und begreift unter incontinentia Wollust, Schwelgerei, Verschwendung, Geiz und Zorn; unter feritas die Gewaltthätigkeit in ihren verschiedenen Aeußerungen, und unter vitium Betrug und Verrath. Siehe die Einleitung zum elften Gesange ["An der Gränze des Kreises der Ketzer liegt der Papst Anastasius. Die Wanderer steigen nun ganz langsam, um sich allmälig an den Gestank zu gewöhnen, in den siebenten Kreis hinab. Unterwegs belehrt Virgil den Dante über die drei letzten Kreise, so wie über die ganze Theorie der Strafen in der danteschen Hölle. Die sämmtlichen Vergehungen werden in drei Classen eingetheilt: bei der ersten liegt Unenthaltsamkeit zum Grunde, und die daraus entspringenden Laster sind Wollust, Schwelgerei, Verschwendung, Geiz, Zorn und blöder, fauler Trübsinn, welche im zweiten, dritten, vierten und fünften Kreise bestraft werden. Der Frevel der zweiten Classe ist Gewaltthat, welche sich auf den Nächsten, auf den Handelnden selbst und auf Gott beziehen kann. Wegen dieser drei Beziehungen ist der siebente Kreis, in welchem sich die Gewaltthätigen befinden, in drei Unterkreise getheilt; und der erste Unterkreis enthält demnach die Tyrannen nebst Mördern, Brandstiftern und Räubern, der zweite die Selbstmörder und Glücksspieler, der dritte die Gotteslästerer, Sodomiten und Wucherer. Gewaltthat war der zweite Frevel und schlimmer als Unenthaltsamkeit; der dritte und schlimmste ist Betrug und Verrath. Der Betrug wird im achten Kreise bestraft, und dieser ist in zehn Unterkreise getheilt, nach seinen verschiedenen Aeußerungen; der Verrath endlich im untersten oder neunten Kreise, weil der Betrüger sich nur gegen die vergeht, die ihm nicht Vertrauen, der Verräther aber das Vertrauen hintergeht. Gegen das Ende des Gesanges setzt Virgil noch insbesondere auseinander, warum die Wucherer zu den Gewaltthätigen gegen Gott zu zählen sind. Der Wucherer nämlich versündigt sich gegen die Natur und gegen die Kunst; die Natur ist aber eine Tochter Gottes, die Kunst, als von der Natur abstammend, eine Enkelin Gottes: auf diese Weise thut der Wucherer Gott doppelte Gewalt an."] und die Anmerkung zu 11, 80 ["Die deine Ethik braucht von den dreien/Neigungen, die des Himmels Haß erregen...." (Anm.: Deine Ethik ist die aristotelische, denn Aristoteles theilt die Laster in vitium, incontinentia und feritas....)] Die Seelen im siebenten Kreise, die Gewaltthätigen, theilen sich nach ihren drei Ringen in Tyrannen, Selbstmörder und Gotteslästerer, und die letztern zerfallen wieder in eigentliche Gotteslästerer, Sodomiten und Wucherer, welche jedoch räumlich nicht getrennt sind; die des achten Ringes nach ihren zehn Abtheilungen als Betrüger in 1. Kuppler und Verführer; 2. Schmeichler; 3. Simonisten; 4. Wahrsager und Zauberer; 5. weltliche Simonisten; 6. Heuchler; 7. Straßenräuber; 8. böse Rathgeber; 9. Sectirer; 10. Alchymisten und Verfälscher, welche noch wieder unterschieden werden, je nachdem sie sich in Andre verstellten, oder Falschmünzer, oder Wahrheitsfälscher waren; die des neunten Ringes, oder die Verräther in solche, die an Verwandten, am Vaterlande, an Freunden und an Wohlthätern Verrath übten. Dante hat auch vier Höllenflüsse: der Acheron umgibt die eigentliche Hölle, der Styx fließt im vierten Ringe, der Phlegeton im siebenten, der Cocytus bildet ganz unten eine Eisfläche. Charon fährt die Schatten über den Acheron, Phlegyas über den Styx zur Höllenstadt. Jeder der neun Kreise hat eine mythologische Hauptperson oder mehrere: der erste den Charon, der zweite den Minos, der dritte den Cerberus, der vierte den Pluto, der fünfte den Phlegyas, der sechste die drei Furien, der siebente den Minotaurus und die Centauren, der achte den Geryon, der neunte die Giganten Antheus, Ephialtes, Nimrod, oder vielmehr (LIV) Lucifer selbst. Die Strafen sind folgende: die welche weder gut noch schlecht waren, in der Vorhölle, werden von Wespen und andern Insecten gestochen; die tugendhaften Heiden entbehren bloß der eigentlichen Seligkeit, und leiden von ewiger Sehnsucht nach Licht; die Wollüstigen werden im Sturm herumgejagt: die Schwelger leiden im Hagel, Regen, Schnee und Cerberus zerfleischt sie; die Verschwender und Geizigen wälzen schwere Lasten; die Zornigen zanken und schlagen einander im glühenden Styx; die Ketzer liegen in Flammengräbern; die Tyrannen stehen in einem blutströmenden Fluß; die Selbstmörder sind in Sträucher und Bäume verwandelt; die Gotteslästerer, Sodomiten und Wucherer liegen, laufen und sitzen auf glühenden Sandfeldern im Feuerregen; die Kuppler und Verführer werden grausam gepeitscht; die Schmeichler stecken in Menschenunflath; die Simonisten sind mit den Beinen emporgerichtet und die Fußsohlen brennen ihnen; den Wahrsagern ist das Gesicht nach hinten gedreht; die weltlichen Simonisten befinden sich in einem Pechgebrodel und werden von Teufeln zerspießt; die Heuchler tragen schwere Bleimäntel; die Straßenräuber leiden Verwandlungen in Schlangen; die bösen Rathgeber sind in Flammen eingehüllt; den Sectirern ist der Leib aufgehauen; die Alchymisten sind aussätzig; die sich in Andre verstellten, beißen sich; die Falschmünzer haben die Wassersucht, die Wahrheitsverfälscher das Fieber; die Verräther stecken im Eise, sind durch den Frost verstümmelt, haben Hundsgesichter, fressen sich an und werden gefressen. - Diese Strafen sind sämmtlich nur äußere Darstellungen, Hieroglyphen des innern Zustandes der Sünde oder des sittlichen Schmerzes über due Sünde. Auch andere Ausleger haben dies schon erkannt. A. W. Schlegel meint, daß dies wohl bisweilen der Fall sey, aber nicht immer. Ich meines Theils zweifle gar nicht, daß Dante bei allen seinen Höllenstrafen diesen Gesichtspunct festgehalten habe, und es kann wohl nur die (LV) Frage seyn, ob es ihm allenthalben geglückt sey. Ehe sich aber darüber urtheilen läßt, wird man versuchen müssen, in die Ansicht des Dichters von jeder einzelnen Sünde einzudringen.

In derselben Form etwa, in welcher sich die Hölle unterhalb Jerusalem als hohler Trichter bis zum Kern der Erde hinaberstreckt, erhebt sich auf der jenseitigen Oberfläche der Erde als Gegenfüßler Jerusalems der Berg des Fegefeuers auf einer Meerinsel gleich einem Kegel, und wie die Hölle in 9 Ringe nebst einer Vorhölle, also in 10 Wohnplätze getheilt war, so umgeben den Fegfeuerberg 7 Ringe und, wenn wir die drei Anhöhen welche vor dem Thore des Fegfeuers sich befinden, mitzählen, so hat auch er 10 gesonderte Wohnplätze. Das Vorfegefeuer enthält die Nachlässigen, d. h. diejenigen, welche noch vor dem Tode, aber erst spät ihr Sündenleben bereueten, unten die in Reue aber im Kirchenbann Abgeschiedenen, in der Mitte die welche ihre Bekehrung bis zum Tode aufschoben, die gewaltsam Gestorbenen, aber mit Gott Versöhnten, oben die welche durch weltliche Geschäfte von dem religiösen Leben und der Bekehrung sich abhalten ließen. In der Hölle nahm mit der Tiefe die Sündhaftigkeit zu, auf dem Berge des Fegefeuers nimmt die Sündhaftigkeit mit der Höhe ab. Die Sträflinge der Hölle müssen ewig schmachten, die des Fegefeurs reinigen sich nur, um sich für die Aufnahme in das Paradies geschickt zu machen, und sobald eine Seele ihre Reinigung vollbracht hat, erzittert der Berg. In den sieben Ringen des Fegefeuers sind die Seelen von unten auf so geordnet: 1. die Hochmüthigen, welche schwere Steine schleppen; 2. die Neidischen, welche mit härenen Hemden bekleidet sind und einen eisernen Draht in den Augenliedern haben; 3. die Zornigen sind in dickem, finsterm Rauche; 4. die Sittlichträgen müssen laufen; 5. die Geizigen weinen und liegen mit den Gesichtern auf der Erde; 6. die Schwelger stehen an (LVI) einer Quelle und an einem Baum mit wohlriechenden Aepfeln, und dürsten und hungern; 7. die Unzüchtigen gehen durch Flammen. Auf der Spitze des Berges ist das irdische Paradies, wo Lethe und Eunoe fließen, Virgil der Führer des Dante verschwindet, Beatrix herabkommt um ihn fortan zu geleiten, und die unsichtbare triumphirende und die sichtbare sündige Kirche sich allegorisch darstellen.

Die Sünden, welche in der Hölle gestraft werden und von welchen sich die Schatten des Fegfeuers reinigen, verdienen noch eine Vergleichung. Hölle 11 und Fegfeuer 17, giebt Dante selbst darüber Auskunft. Auch im Fegfeuer sind sie nach vitium, feritas und incontinentia abgetheilt. Nur ist in der Hölle auf die Mittel, Gewalt und Betrug im Fegfeuer auf den Zweck, Erhebung, Macht und Rache, gesehen, welche letzteren sich im Hochmuth, im Neide und im Zorne darstellen. Aus demselben Grunde sind Zorn und Trägheit hier geschieden, und der Zorn noch zu dem Unrecht gerechnet. Die Laster der incontinentia folgen dann in derselben Ordnung. Siehe die Anmerkung zu Fegfeuer 10, 115.

Das Paradies besteht nach dem ptolemäischen System aus den sieben Planeten, unter welchen die Sonne so wie der Mond ist, und auf welche die drei Himmel folgen, so daß auch hier wieder 10 Räume sind. In dem ersten, dem Monde, sind diejenigen, welche ihr Gelübde nicht vollkommen erfüllt haben, sondern, nachdem sie sich der Kirche gewidmet, in die Welt zurückgetreten waren; in dem zweiten, dem Merkur, diejenigen welche bei der Tugend Ruhm und Ehre zum Zwecke hatten; in dem dritten, der Venus, die welche der Liebe mehr als der Tugend huldigten; in dem vierten, der Sonne, die Theologen überhaupt, insbesondere die Stifter der beiden geistlichen Orden der Franciscaner und Dominicaner mit ihren Anhängern; in dem fünften, dem Mars, die Streiter für den Glauben, in dem sechsten, dem Jupiter, die (LVII) Gerechten; in dem siebenten, dem Saturn, die Einsiedler und Beschaulichen; in dem achten oder dem Thierkreise, Christus, die Apostel und Adam, obgleich sie mehr als eine vorübergehende Erscheinung zu betrachten sind; in dem neunten oder dem Krystallhimmel, dem primum mobile die englischen Chöre; in dem zehnten, oder dem Empyreum, die Auserwählten Gottes, die Königin des Himmels und Gott selbst.

Zu bemerken ist noch, daß in jedem der drei Theile des großen Gedichts die zehn ersten Gesänge die erste Abtheilung bilden, indem in der Hölle bis dahin die Schilderung der geringern Laster der incontinentia oder Unenthaltsamkeit reicht, auf welche dann die Höllenstadt folgt; im Fegfeur, der Vorhof der Reinigung, der außerhalb der Pforte liegt, beschrieben wird; im Paradiese die untern Planeten, der Mond, der Mercur und die Venus, deren Bewohner eine nicht ganz reine Tugend besaßen, die ersten zehn Gesänge einnehmen.

Das ganze Werk besteht aus 100 Gesängen, von welchen auf die Hölle 34, auf das Fegfeur 33, und eben so viel auf das Paradies kommen.

Ueber den Anfang der poetischen Reise des Dante und die Dauer derselben ist Folgendes zu bemerken. Nach einigen Auslegern fängt die Reise am fünften April, nach andern am fünf und zwanzigsten März, oder in der diesen beiden Tagen vorhergehenden Nacht des Jahres 1300 an. Die erstern berufen sich darauf, daß in diesem Jahre der Vollmond auf diese Nacht fällt, und der fünfte April der stille Freitag ist. Dies stimmt auch allerdings mit den Zeitangaben im Gedichte welche den Mond betreffen, nicht aber mit denen welche die Sonne und die Jahreszeit betreffen; diesen letztern zufolge ist vielmehr der fünf und zwanzigste März richtig. Man kann diese beiden Annahmen durch eine dritte vereinigen, nämlich, daß Dante den Tag des Leidens Christi nicht nach der von der Kirche angeordneten und jährlich auf einen andern (LVIII) Monatstag treffenden Feier, sondern dem wahren Datum nach berechnet habe. Dies trifft nach einer alten Ueberlieferung mit dem Schöpfungstage und mit dem Tage, an dem die Kirche noch heute die Empfängniß feiert, zusammen, auf den 25. März. Da aber der Mond an kein bestimmtes Datum sich bindet, so müssen die Mondphasen von Dante fingirt werden, wenn seine Osterwoche der von Christi Tode gleichen soll. Das julianische Aequinoctium trifft auf den 25. März, obgleich in der Wirklichkeit im Jahre 1300 die Sonne schon am zwölften März Nachmittags um vier Uhr in den Widder trat.

Die Reise dauert acht Tage; wobei noch bemerkt werden muß, daß Dante theils den Tag in der gewöhnlichen Bedeutung von 12 Stunden nimmt und dann von sechs Uhr Morgens bis sechs Uhr Abends rechnet, so daß z. B. der Mittag auf sechs Uhr, d. h. auf den Schluß der sechsten Tagesstunde fällt, theils aber auch in der astronomischen Bedeutung von 24 Stunden. Die Berechnung nach astronomischen Tagen ist nun folgende.

Wann sich Dante verirrt, ist nicht zu bestimmen. Er befindet sich in dem dunkeln Wald (Hölle 1,2,) am Abend vor dem 25. März, d. h. also am Anfang dieses Tages, indem von hier an die Tage und zwar von Abend zu Abend, als Zeit von 24 Stunden, zu berechnen sind.

Erster Tag oder 25. März. Dante versucht am Morgen zu entkommen, wird durch die drei Thiere zurückgehalten, findet den Virgil und steigt am Abend d.h. am Schluß dieses Tages mit ihm in die Hölle hinab. (Hölle 2, 1).

Zweiter Tag oder 26. März. Hölle 11, 113 ist es zwei Stunden vor Morgen; 21, 112 ist es Morgens 10 Uhr nach unserer Rechnung; 29, 10 ist Mittag (LIX) vorbei; 34, 96 ist es 7½ Uhr Abends. - Vom Anfang des Gedichts bis zum Eintritt in die Hölle sind 24 Stunden, und auf die Wanderung bis Lucifer ebenfalls 24 Stunden verstrichen.

Dritter Tag oder 27. März. Ueber dem Emporsteigen durch die andere Halbkugel vergehen 20 bis 22 Stunden: denn man muß rechnen, daß Dante Abends um 6 Uhr bei Lucifer im Mittelpuncte ankommt und ein paar Stunden vor Sonnenaufgang an das Tageslicht tritt, d.h. nach unserer Rechnung ein paar Stunden vor Abend; bei uns ist nämlich Abend, wenn auf der entgegengesetzten Halbkugel Morgen ist. Fegefeuer 2, 1 ist mit dem Morgen der dritte Tag also vollendet.

Vierter Tag oder 28. März. Fegfeuer 8, 1 endet die europäische Nacht, und 9, 52 der Tag.

Fünfter Tag oder 29. März schließt Fegfeuer 19, 38.

Sechster Tag oder 30. März schließt Fegfeuer 27, 112.

Siebenter Tag oder 31. März. Die ganze europäische Nacht, dort Tag, verfließt auf der Höhe des irdischen Paradieses. Mittag, hier Mitternacht, ist 33, 104; und nun verfließen volle 18 Stunden bis zum Anfang des Paradieses: denn da heißt es 1, 43, es sey dort Morgen, in Europa also Abend geworden, und so schließt der siebente Tag.

Achter Tag oder erster April schließt im gestirnten Himmel, noch in den Zwillingen 27, 79. Man sehe die Paradiesestafel. Die Zahlen bezeichen die Ankunft (LX) des Dichters nach den Tagesstunden. Die Berechnung gründet sich auf Parad. 22 am Schlusse, wo die Stellung der Planeten vom Gestirn der Zwillinge aus angegeben wird.

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