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A ch z e h n t e r   G e s a n g.
Die Kuppler und Verführer.
Die Schmeichler.
Inhalt.
     Dante schildert zuvörderst das übrige Höllenterrain als einen tiefen Brunnen, um dessen äußern Rand sich zehn, von Felsen quer überbrückte Thäler ringförmig herreihen. Der Brunnen nimmt die Verräther auf; die Betrüger aber wohnen in den zehn Thälern, die Dante wohl insofern Ranzen, oder, wie wir es übersetzt haben, Säcke nennt, als die Betrüger, die sonst ihre Sätze machten, nun in der Klemme stecken. Die Dichter treten in das erste Thal ein, in welchem die Kuppler und Verführer, die erstern auf der diesseitigen, die letztern auf der jenseitigen Hälfte, in entgegengesetzter Richtung umherlaufen. so daß sie sich, wie um ein Geschäftchen mit einander zu machen, entgegenzukommen scheinen. Auf den beiden Felseneinfassungen des Thales sitzen gehörnte Teufel mit großen Peitschen, die, sobald ihr geschäftiger Eifer nachläßt, ihnen wieder Beine machen, indem sie ihnen Eins auf den Hintern geben. Für solche ehrlose Buben gehört sich solche ehrlose Strafe. Einer der den Dichtern entgegenkommenden Kuppler, Caccianimico aus Bologna, schlägt im Gefühl, daß er hier gewissermaßen am Pranger stehe, die Augen nieder, wie Dante ihm scharf ins Gewissen sieht. Ungern gesteht er seine Schuld, die er mit unzähligen andern Bolognesern zu theilen sich freut, wie es scheint, gleich als wenn die Schuld durch die Anzahl der Theilhaber vermindert würde.

     Dante kehrt zu seinem Führer zurück, der ihm einige Schritte mit den Kupplern zurückzugehen erlaubt hatte. Darauf beschreiten sie die ersten Felsenbrücke, unter welcher die Gepeitschten durchziehen. Von hier aus betrachten sie die auf der andern Hälfte des Thales daher kommenden Verführer, unter denen Virgil ihm den Jason namhaft macht, der, weil in den Augen des Publicums die Verführung nicht ganz so schmälich (181) ist, als das Kupplerhandwerk, trotz der unanständigen Strafe mit Königsanstand einherschreitet.

     Darauf gelangen die Dichter in das zweite Thal, das so tief ist, daß man nur von der Höhe der darüber hin führenden Felsenbrücke auf den Grund sieht; denn die Schmeichler, die sich gern tief, tief bückten, büßen darinnen. Sie, die ihren Gönnern in den Hintern krochen, jeden Wind unterthänigst aufschnoberten, dabei immer etwas Süßes auf der Zunge hatten und den Weihrauch mit vollen Händen streueten, wälzen sich nun prustend in dem Kothe, etwa ihrer hohen Gönner, umher, der das ganze Thal mit Gestank erfüllt und die Wände desselben überschimmelt, so daß sich Auge und Nase gleichmäßig sträuben, wie denn der gerade Mann solche Speichellecker weder sehen noch riechen mag. "Viele suchen das Angesicht eines Fürsten", aber "ein ungerechter Mann ist dem Gerechten ein Greuel" (Sprüchw. 29, 26, 27).

     Alessio Interminei von Lucca, der sich nun der erbärmlichen Rolle, die er gespielt hat, schämt, ärgert sich, daß ihn Dante fixirt, und schlägt sich, auf sich selber böse, vor den Kürbiß, das ist, den faden Hohlkopf. Darauf sieht Dante noch die schmeichlerische Mätresse des Thraso, die Thais, die als elegante Römerin gewiß viel auf schöne Haare, glatte Haut und saubre Nägel gehalten, sich mit kothigen Nägeln kratzen, während ihr die Haare um den Kopf herumhängen. "Das ist eine Art, die sich rein dünkt, und ist doch von ihrem Kothe nicht gewaschen (Sprüchw. 30,12)."

     Daß die Schmeichler gleich nach den Verführern kommen, hat vielleicht seinen Grund darin, das die Verführung selbst auf Schmeichelei beruht, (V. 91), wie denn auch die Verführerinnen unter den Schmeichlern büßen.

F a d e n.
1.
  Beschreibung des übrigen Höllenterrains.
19.
  Ueberschau der Verführer und Kuppler im ersten Sack.
40.
  Gespräch mit dem Kuppler Caccianimico.
67.
  Betrachtung der Verführer insbesondere.
82.
  Der Verführer Jason.
100.
  Eintritt in den zweiten Sack zu den Schmeichlern.
112.
  Gespräch mit Interminei von Lucca.
127.
  Die Buhlerin Thais.

XVIII.

1 Ein Ort ist in der Hölle, Üebelsäcken,
  Durchweg aus Stein von eisenfarb'nem Glanze,
  So wie die Ufer, die sich rings erstrecken.
4 Und mitten grad' in dem verruchten Kranze
  Gähnt ziemlich breit und tief ein Brunnen. Geben
  Werd' ich am Ort des Baues Bild, das ganze.
7 Rund ist das Stück, das übrig bleibt, hier eben
  Vom harten Ufer bis zu jenem Schachte,
  Und abgetheilt in zehn verschanzte Gräben  01
10 Gleichwie, wo man die Mauern wohl bedachte
  Mit Wällen, die stets neu die Burg umringen,
  Der Raum aussieht, den sie durchziehn: so machte
13 Sich auch des Ortes Anblick wo wir gingen;
  Und wie bei solchen Vesten von der Schwelle
  Sic bis zur äußern Böschung Brücken schlingen:
16 So laufen von der Felswand tiefster Stelle,
  Bis sie im Brunnen, der sie abbricht, münden,
  Rings Klippen quer durch Gräben und durch Wälle.
19 Vom Kreuz des Unthiers abgeworfen, finden
  Wir uns an diesem Ort. Zur linken Zeite
  Bog nun der Dichter, und ich hielt mich hinten.
22 Und rechts gewahrt' ich neuen Jammers Beute  02
  Und neue Martern auch und neue Schinder,
  Damit gefüllt des ersten Sackes Weite.
25 Nackt auf dem Boden laufen da die Sünder,
  Diesseits der einen Hälft' uns gerad' entgegen,
  Und jenseits mit uns fort, doch viel geschwinder:
28 Den Römern gleich, die großen Andrangs wegen
  Im Jubeljahr, damit die Engelsbrücke
  Die Menge fördre, die also zerlegen,
31 Daß sie auf einer Seite, mit dem Blicke
  Auf das Castell, zum heil'gen Petrus wallen,
  Und nach dem Berg zu, auf dem andern Stücke.  03
34 Und hier und dort vom schwarzen Fels her fallen
  Gehörnte Teufel, lange Peitschen schwingend,  04
  Um grausamlich eins hinten aufzuknallen.
37 Wie hoben sie, beim ersten Hieb sich ringend
  Die Fersen, hui! Da wartete wohl Keiner
  Den zweiten oder dritten ab, so springend.
40 Und wie ich ging, kam vor den Blick mir Einer.
  Da sagt' ich gleich: Mein Aug' ist nicht mehr nüchtern;
  Den sah es; ich erinnere mich seiner.
43 Und die Gestalt beschaut' ich nun nichht schüchtern,
  Mein guter Herr blieb mit mir stehn, erlaubend,
  Zurückzuwandeln mit den Bösewichtern.
46 Und der Gepeitschte, sich zu bergen glaubend,
  Sah vor sich hin; doch wenig half die Mühe.
  "Du", sprach ich, "mit dem Blick da unten klaubend,
49 Wenn dein Gesicht nicht nachgemacht ist, siehe,  05
  So bist du Benedico; aber sage
  Was tunkt dich in so prickelnd herbe Brühe?"  06
52 "Ungern", versetzt' er, "gnüg' ich deiner Frage;
  Indeß mich zwingen deine klaren Töne,  07
  Denn da gedenk ich jener alten Tage.
55 Der zu des Marquis böser Lust die schöne
  Ghisola stimmte, das war ich alleinig:  08
  Was auch verlaute von der schnöden Scene.
58 Und nicht als einz'ger Bologneser wein' ich;
  So viel sind deren, die hier mit uns rennen,
  Daß zwischen Reno und Savena, mein' ich,
61 Nicht so viel Zungen Sipa sprechen können;  09
  Bloß unsre Habsucht dir zu Sinne führ' ich,
  Soll ich dir Bürgschaft oder Zeugen dafür nennen."
64 Und wie er sprach, gab ihm ein Teufel rührig
  Mit der Karbatsch' eins, "Lauf, du Kuppler!" sagend,
  "Hier giebts kein Weibsbild, nach der Münze gierig."  10
67 Und ich, zu meinem Hort mich wieder schlagend,
  That wenig Schritt' entlang der steilen Senkung:
  Da stand ein Felsblock, aus dem Ufer ragend.
70 Wir stiegen da hinauf mit leichter Schwenkung,
  Und rechter Hand uns wendend auf der Höhe,
  Verließen wir die ewige Umschränkung.
73 Und wie ich auf dem Spalte mit ihm stehe,
  Der die Gestäupten unten durchläßt, spricht er:
  "Halt, richte dich, auf daß dir nicht entgehe
76 Der Anblick von dem übrigen Gelichter!  11
  Weil sie nach gleicher Gegend mit uns zogen,
  So schautest du noch keines der Gesichter."
79 Und von der alten Brück' auf jene Wogen
  Sah'n wir hinab, die, nach der alten Sitte
  Auch hier gegeißelt, uns entgegenflogen.
82 Mein guter Herr sprach ohne meine Bitte:
  "Siehst du den Großen, den kein Schmerz verleitet,
  Daß er auch eine Thräne nur verschütte?
85 Mit welchem Königsanstand er noch schreitet!
  Das ist der jJson, der mit Muth und Geiste
  Den Widder von den Colchiern erbeutet;
88 Der durch die Insel, Namens Lemnos, reiste,  12
  Als mit der Männer Blutbad allerorten
  Die Frauenschaft, die unbarmherz'ge, dreiste,
91 Zu Stande war. Mit Pfand und schmucken Worten
  Ließ sich die jung' Isifile betrügen,
  Nachdem sie selbst betrogen bei dem Morden.
94 Er ließ sie schwanger und verlassen liegen.
  Zu solcher Qual verdammt ihn solch Verbrechen,
Und auch dem Zorn Medea's muß er gnügen.
97 Wer so betrügt, durchläuft mit ihm die Flächen.
  Vom ersten Thal und von der Sündermasse
  In seinen Hauern hör' ich auf zu sprechen."
100 Wir waren nun wo mit der engen Gasse
Der zweite Damm sich kreuzt, der dann als Träger
Die Schulter bietet einem andern Passe.
103 Im zweiten Sacke ward es reg und reger
  Von Winselnden, die mit den Mäulern schnoben,
Und deren Fäuste ihre eignen Schläger.  13
106 Die Wände waren von dem Dunst nach oben,
Der sie bekleistert, so mit Kahm beschlagen,
Daß Aug' und Nase angefeindet stoben.
109 Und welche Tiefe! Wo das Ueberagen
Der Klipp' am höchsten, von des Bogens Rücken,
Sah man den Grund; sonst war's vergebnes Plagen.
112 Da stand ich und erfaßte mit den Blicken
Im Graben Leute, die in einem Drecke,
Wie von gewissen Plätzen her, ersticken.
115 Und wie ich mich so forschend vorwärts strecke,
  Seh' ich ein Haupt, so ganz von Kothe schmierig
  Daß ich, ob's Pfaff, ob's Lai ist, nicht entdecke.
118 Der schrie herauf: "Was blickst du so begierig
  Auf mich mehr, als die Schmutz'gen, die hier stehen?"
  Und ich zu ihm: "Die Antwort ist nicht schwierig;
121 Ich hab' dich schon mit trocknem Haar gesehen;
  Du bist Interminei, der Luccheser,  14
  Darum die Augen mehr nach dir sich drehen."
124 Da vor den Kürbiß schlug er sich, noch böser:  15
  "Die Schmeichelei warf mich in diese Gauche;
  Ward doch der Zunge Gier danach stets größer."
127 Da sprach mein Herr: "Des Auges Spannkraft brauche,
  Schau weiter vor, daß noch das Bild der einen
  Unsaubern Magd dir aus dem Abgrund tauche!
130 Siehst du die Haare, die so struppig scheinen?
  Mit koth'gen Nägeln kratzt er sich dadrüben,
  Jetzt kauert sie, jetzt steht sie auf den Beinen.
133 Thais, die Hur' ist's, die ja ihrem Lieben,
  Als er sie frug: ""Bist du mir sehr gewogen?""
  Zur Antwort gab: ""Ei wohl, ganz übertrieben.""  16
136 Nun sei das Auge satt! Nun wird gezogen!"

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Neunzehnter Gesang

Erläuterungen:

01 Es ist doch mindestens auffallend, daß auch in den Unterabtheilungen der Höllenkreise symbolische Zahlen vorkommen, die 3 in dem vorigen, die 10 in dem jetzigen, die 4 in dem folgenden Kreise. Stehen vielleicht die 10 Schritte, H. 17, 32, durch die er sich dem Rande von Uebelsäcken näherte, in absichtlicher Beziehung zu der Zehnteilung derselben?

Wir können nicht umhin, hier eine Bemerkung einzuschalten, die man uns, weil wir sie nicht für unfehlbar ausgeben, nicht als Spitzfindigkeit auslegen wolle. Aus [Karl C. W. F] Bährs Symbolik des mosaischen Cultus [I/II, Heidelberg; Verlag J.C.B. Mohr. 1837-39] kann ein Jeder ersehen, das die Drei im A.T. die Zahl Gottes, die Vier die Zahl der Welt, die Sieben, als die Verbindung der Drei und Vier, die Zahl der Verbindung Gottes und der Welt, also der Religion, die Zehn aber die Zahl der Vollkommenheit und die Fünf die der Halbvollkommenheit ist. Auch das kann er aus jenem werthvollen Buche lernen, daß diese auch in der Naturwelt bedeutungsvollen Zahlen den Verhältnisse der Stiftshütte, als dem Abbild des Universums, zu Grunde liegen, in welchem ja Alles nach Maaß, Zahl und Gewicht von Gott, der nicht ein Gott der Unordnung ist. (1. Cor. 14, 14), geordnet erscheint (Weish. 11, 22). So scheint nun auch in dem Dante'schen Dome, der ebenfalls ein Abbild des Universums sein soll, Alles nach jenen Zahlen geordnet zu sein, die Hölle nicht ausgenommen, die in gewissem Sinne freilich ein Land der Unordnung ist (Hiob 10,22). Ueber diese der Hölle, dem Fegefeuer und dem Paradiese aufgeprägten Zahlen in ihrem Verhältniß zu einander haben wir uns schon in der Einleitung ausgesprochen. Jetzt noch einige Worte über die der Hölle aufgedrückten Zahlen in ihrem 18-183 Verhältniß untereinander. Man könnte vielleicht sagen: Die Höllenaußenwerke weisen in der Zahl ihrer Kreise die Fünf, die Zahl der Halbvollkommenheit auf; es it hier nur halbe Hölle zu finden; daher Dante, Hölle 11, 73-75, der diese Halbheit nicht fassen kann (H. 11, 76-90), sich verwundert. Die Höllenstadt weist in der Zahl ihrer Kreise die Vier, die Zahl der Welt, auf; sie ist das eigentliche Reich der Fürsten dieser Welt, der im Mittelpunkte thronet. Vier und fünf giebt neun und dazu der Höllenvorhof macht zehn, die Zahl der Vollkommenheit; damit haben wir die vollständige Hölle. Die Zahl vier finden wir in den Unterabtheilungen der Judecca wieder, die gewissermaßen der Eispalast des Fürsten dieser Welt ist. In den Unterabtheilungen von Uebelsäcken stellt sich abermals die Zehn dar, denn der daselbst bestrafte Trug hat das Antlitz eines vollkommenen Gerechten. In den Unterabtheilungen der Region der Gewaltthätigkeit endlich tritt uns die Drei entgegen, denn in der dritten derselben wird der unmittelbare Angriff der göttlichen Majestät gestraft und zwar mit Feuer, das entsprechender Weise unmittelbar von oben herabfällt. Mit dem letzten Punkt scheint es allerdings am mißlichsten zu stehen.

Wir haben schon bevorwortet und benachworten nun auch, daß, obgleich Dante die symbolische Bedeutung der Drei ausgesprochener Weise kennt, und ohne Zweifel auch die der Zehn, die schon Daniello kurz berührt, so wie die der Sieben, wir doch weit entfernt sind, diese unsere Zurechtlegung der Zahlenverhältnisse in der Hölle für unwiderleglich zu halten, zumal wir nicht wissen, ob dem Dante die Bedeutung der Vier bekannt ist. Indeß das lassen wir uns nun und nimmermehr ausreden, daß hiner derlei Dingen mehr steckt, als unsere nüchterne Zeit zu glauben geneigt ist, die in den überaschenden Zahlverhältnissen der Naturwelt auch nur eine Llaune des Zufalls erkennen kann, während die immer wiederkehrende Analogie offenbar auf eine ordnende Hand hinweist, wie im Dante, nur in noch höherm Maaße.

02 Philaletes bemerkt: "Es ergiebt sich hieraus, daß die Dichter in Uebelbulgen eine entgegengesetzte Bahn, als in den andern Kreisen, beschreiben, in dem sie sich hier nach dem Herabsteigen links und dann (71) rechts nach der Mitte wenden. Man könnte hier auch eine Deutung finden und sagen: die links gewundene Spirale (H. 14, 125) der oberen Kreise bedeute den offenen Weg des Bösen, die rechts gewundene Uebelbulgens aber den scheinbar zum Rechten sich wendenden Weg der hier bestraften Sünder, der aber desto sicherer zum Abgrund führt." - Das würde zu der Zehnteilung, die dem Kreise den Character der Vollkommenheit aufdrückt, vortrefflich stimmen.

03 Im Jahr 1300 ordnete Pabst Bonifaz VIII. die erste Jubelfeier in Rom an. Die Zahl der Pilger war so groß, daß er die Engelsbrücke der Länge nach theilte, damit sich die nach St. Peter Gehenden und dorther Zurückkehrenden nicht hindern möchten. Der hier erwähnte Berg ist wohl der der Engelsburg gegenüberliegende Janiculus.

04 Im Kreis der Gewaltthätigen sind die Peiniger Centauren, hier Dämonen, denn die Gewaltthat macht den Menschen zum Viehe, die Arglist zum Teufel. Uebrigens ist zu beachten, was Th. A. 1, 63, 8 sagt: "Die Ordnung der göttlichen Gerechtigkeit hat das Eigenthümliche, daß, wessen Einflüsterung Jemand in der Schuld gehorcht, er dessen Gewalt in der Strafe unterworfen ist."

05 Geryon's Gesicht war auch nachgemacht, insofern es einen fremden Charakter angenommen. Der mißtrauische Dichter fürchtet nun gar die Nachäffung eines bestimmten Gesichtes. Er ist ja unter den Betrügern.

06 Die Schläge auf dem nackten Hintern prickeln, und so wird er für sein ehrloses Thun besalzen. An das erinnert Dante den Bologneser, denn Salsa hieß auch eine wilde Schlucht, wo die hingeworfen wurden, denen man kein ehrliches Begräbnis zugestand.

07 Im Gegensatz zu den heiser redenden Schatten.

08 Ghisola war seine Schwester, was er vielleicht absichtlich verschweigt. Der Marquis ist entweder Azzo VIII. von Este oder sein Vater Obizzo II. Einige schieben die Schuld auf Ghisola selber, Andere auf Benedico; Dante wußte vielleicht die Wahrheit.

09 Bologna liegt zwischen den beiden Flüssen Savena und Reno. Sipa (Ja wohl) ist eine gemüthliche Verlängerung des Si (Ja) aus der Bologneser Mundart. Es sind also mehr Kuppler in der Hölle, als es zur Zeit Lebende in Bologna gab. Nicht unmöglich ist es, daß mit dem Sipa das gefällige Eingehen des Kupplers in die Wünsche seiner Kunden angedeutet wird, wie Kopisch annimmt. Dante, der in Bologna studirt hatte, kannte vielleicht den habsüchtigen Sinn der Bologneser aus Erfahrung.

10 Der Teufel nimmt höhnisch an, daß der Kuppler mit Dante um ein feiles Weibsbild unterhandle.

11 Zu diesem Zwecke muß er sich natürlich rechts wenden; links hätte er bloß ihren Rücken gesehnen. Virgil will ihm aber den Jason zeigen, der, um seinem Heldenstolze zu genügen, den Soiker spielt.

12 Als Jason, derAnführer des Argonautenzuges, auf Lemnos landete, hatten die Weiber kurz zuvor ihre Männer umgebracht. Nur Hypsipyle hatte ihren Vater durch List gerettet. Jason verführte sie und ließ sie schwanger zurück, so wie er späterhin auch der Medea untreu ward.

13 Die Schmeichler schlagen sich mit Fäusten, weil sie sich selbst beleidigt haben, indem sie die Creatur, die ihnen doch nicht volle Gnüge zu geben im Stande war, zu ihrem Gotte machten. Im Grunde wird jeder Ungläubige mehr oder weniger ein Götzendiener der Menschen; denn etwas muß Einer haben, damit er seinen Mangel, wenn auch nur scheinbar, ausfülle. Daher in unsern ungläubigen Zeiten der sogenannte Cultus des Genies. Zu bemerken ist, daß Dante auch die Furien, Sinnbilder des Unglaubens, sich mit Fäusten schlagen läßt (H. 9, 50). Ist das eine absichtliche Parallele zwischen dem gotteslügnerischen Unglauben und der menschenvergötternden Schmeichelei?

14 Alexius Interminei, Ghibelline und Volksschmeichler.

15 Er ist sich selber böse. Daß man auf sich selber böse sein kann, wenn man sich durch eigenen Unverstand geschadet, hat wohl Jeder erfahren, freuet man sich doch sogar über seinen eigenen Schaden, indem man sich selbst ganz objectiv wird. In diesem Sinne ist die folgende Selbstanschuldigung zu nehmen.

16 Eigentlich befragt Thraso im Eunuchen des Terenz nicht die Thais selber, sondern den Kuppler Gnatho, der denn auch in ihrem Namen antwortet. - Daß Dante unter den Schmeichlern eine Buhlerin nennt, geschieht nicht ohne hinlänglichen Grund, denn die Buhlerinn schmeichelt dem Manne, um ihre eigene Existenz zu sichern, während der Schmeichler zu diesem Zwecke um die Gunst der Mächtigen buhlt.