"Die Herrlichkeit desjenigen, der alles beweget, dringt durch das ganze Weltgebäude, und glänzt an einem Orte mehr, an dem andern weniger. Im Himmel, der den größten Theil seines Lichtes empfängt, war ich, und sah Dinge, die derjenige, der von diesen Höhen wieder herabsteigt, nicht beschreiben kann. Denn unser Verstand, der sich alsdenn seinem höchsten Gute nahet, versenkt sich so tief in dasselbe, daß das Gedächtniß keinen Weg rückwärts findet. Dennoch was ich für Schätze 181 des heiligen Reiches in meiner Seele sammlen konnte, die sollen itzt der Stoff meines Gesanges seyn."
La gloria di Colui, che tutto muove, |
Per l'universo penetra, e risplende |
In una parte più, e meno altrove. |
Nel Ciel, che più della sua luce prende, |
Fu' io, e vidi cose, che ridire |
Nè sa, ne può qual di lassù discende: |
Perchè appressando se al suo disire, |
Nostro intelletto si profonda tanto, |
Che retro la memoria non può ire. |
Veramente quant'io del regno santo |
Nella mia mente potei far tesoro, |
Sarà ora materia del mio canto. |
Canto I, 1-12
|
So fängt der Dichter diesen Theil seines Gedichtes an. Er sieht anfangs seine Beatrix den Blick starr auf die Sonne wenden; "niemals hat ihn ein Adler so fest darauf geheftet." Das Bild dieses Blickes, welches durch sein Auge in seine Seele dringt, treibt den seinigen gleichfalls nach der Sonne; "so wie ein Strahl, der auf einen hellen Körper fällt, von ihm wieder rückwärts in die Höhe fährt, gleich einem Pilgrim der sich nach seiner Heimath sehnet." Er sieht hier "die Sonne ringsumher funkeln, wie Eisen, das glühend aus dem Feuer kömmt. Und plötzlich schien Tag zu Tag hinzugefügt zu seyn: gleichsam als wenn derjenige, der es vermag, den Himmel mit einer zweyten Sonne geschmückt hätte." Er sieht eine See von Licht vor sich, er hört die Musik der Sphären. Diese neuen Gegenstände 182 erfüllen ihn mit Erstaunen, und mit Zweifeln. Beatrix sagt ihm zwar:"Du bist nicht mehr auf der Erde, wie du glaubest. Nie hat sich ein Blitz mit solcher Geschwindigkeit aus seinem eingenthümlichen Sitze herabgestürzt, mit der du zu dem deinigen 1 zurückkehrst." Aber dieses vermehrt seine Ungewißheit noch. Er begreift nicht, wie er könne hieher gekommen seyn, und Sie begreifen es vermuthlich auch nicht. Aber Beatrix soll es uns sogleich erklären. Sie sieht den Dichter, in seiner Verlegenheit, voll Mitleid an, wie eine Mutter einen unsinnigen Sohn; hierauf sagt sie ihm, wie Uz in seiner bewunderswürdigen Oden:
Es ist im lichten Raum, wo in bestimmter Bahn |
Die ungezählten Sonnen glänzen, |
Der Ordnung alles unterthan. |
"Durch diese Ordnung allein ist das Weltgebäude seinem Schöpfer ähnlich. In ihr finden erhabene Seelen die Spur der ewigen Weisheit. Zu dieser Ordnung neigen sich alle Naturen, jede in ihren Schranken, die eine mehr, die andere weniger von ihrem Ursprunge entfernet. Aus dieser ungleichen Entfernung laufen sie durch das grosse Meer des Seyns nach verschiednen Häfen, jede von dem Instinkte getrieben, der ihr gegeben ist. Dieser schwingt das Feuer gegen den Mond; dieser lenkt die Herzen der Sterblichen zu ihrer Erhaltung; 184 dieser hält die Erde an sich selbst geschlossen."
- - - - - Le cose tutte quante |
Hann' ordine tra loro; e questo è forma, |
Che l'universo a Dio fa simigliante. |
Qui veggion l'alte creature l'orma |
Dell' eterno valore; - - |
Nel'ordine, ch'io dico, sono accline |
Tutte nature per diverse forti, |
Più al principio loro, e men vicine: |
Onde si muovono a diversi porti |
Per lo gran mar dell'essere, a ciascuna |
Con instinto a lei dato, che la porti. |
Questi ne porta' l fuoco inver la Luna, |
Questi ne' cor mortali è promotore, |
Questi la terra in se stringe e aduna. |
"Gleich Pfeilen fliegen von diesem Bogen nicht nur die Geschöpfe, die der Vernunft beraubt sind, sondern auch diejenigen, welche denken und lieben. Die Vorsehung, die grosse Stifterinn aller Ordnung, füllt beständig den Himmel mit ihrem Lichte. Dahin treibt uns jetzt, als zu unserem bestimmten Sitze, die Kraft dieses Bogens, der seine Pfeile beständig nach einem glücklichen Ziele richtet. Zwar wie ein Werk nicht allemal mit der Absicht des Künstlers übereinstimmet, wenn die Materie zu taub ist, seine Stimme zu hören;"
Nè pur le creature, che son fuore |
D'intelligenzia, quest' arco saetta, |
Ma quelle, ch'hanno intelletto e amore. |
La providenzia, che cotanto affetta, |
Del suo lume fa'l Ciel sempre quieto: |
Ed ora lì, com'a sito decreto, |
Cen' porta la virtù di quella corda, |
Che ciò, che scocca, drizza in segno lieto. |
Ver' è, che come forma non s'accorda |
Molte fiate alla 'ntenzion dell' arte, |
Perch' a risponder la materia è sorda: |
"so 185 entzieht sich zuweilen das Geschöpf diesem Triebe, welches die Macht hat, sich nach einer andern Seite zu lenken, und sinkt, von einem falschen Gute gelockt, zur Erde, gleich dem Feuer, das wider seine Natur aus den Wolken herabfällt. Daher darfst du über deinen Flug in diese Höhen dich itzt nicht mehr verwundern, als über einen Fluß, der von einem hohen Gebürge in das Thal hinab fleußt. Verwundern müßtest du dich, wenn du noch an der Erde wärest hängen geblieben, itzt, da du von jeder Bürde deiner Sünden befreyt bist."
Così da questo corso si diparte |
Talor la creatura, ch'ha podere |
Di piegar, così pinta, in altra parte, |
E sì come veder si può cadere |
Fuoco di nube, se l'impeto primo |
A terra è torto da falso piacere. |
Non dei più ammirar, se bene stimo, |
Lo tuo salir, se non come d'un rivo, |
Se d'alto monte scende giuso ad imo. |
Maraviglia sarebbe in te, se, privo |
D'impedimento giù ti fossi assiso. |
Canto I |
186 Dieses ist das System unseres Dichters, seinen Flug in den Himmel zu erklären. Er setzt nämlich voraus, daß der Mensch sich seiner Natur nach, gleich dem Feuer, nach dem Himmel bewege, und daß uns bloß die Last der irdischen Lüste nach der Erde zurücktreibt, und an dieselbe fesselt. Er aber, der im Fegfeuer von allen diesen niedrigen Neigungen gereinigt worden, erhebt sich nunmehr, von dieser Hinderniß befreyt, von selbst nach dem Himmel. Dieses System scheint mir, nach der Logik der Dichtkunst, noch ziemlich gründlich; aber wir dürfen es auch mit unserem Dichter, in Ansehung der Wahrscheinlichkeit, nicht so gar genau nehmen. Nach den Sachen, die er uns bisher erzählt hat, muß er uns schon gewöhnt haben, ihm alles zu glauben.
Ehe er uns noch in sein Paradies einführt, wendet er sich in folgender Anrede an seine Leser:
"O ihr, die ihr in einem kleinen Boote, begierig zu hören, meinem Schiffe gefolgt seyd, 187 welches singend segelt, kehrt zurück zu euern Ufern, wagt euch nicht in ein Meer, wo ihr euch verirren möchtet, wenn ihr mich aus dem Gesichte verlöhret. Die Fluth, die ich itzt durchlaufe, ist noch niemals beschifft worden. Minerva haucht in meine Segel, Apollo führt mich, und neue Musen zeigen mir den Pol. Ihr andern wenigen, die ihr frühzeitig den Mund nach dem Brodte der Engel gewandt, von dem man hier sich nähret, und sich niemals sättigt, ihr könnt kühn euer Fahrzeug der hohen See vertrauen, indem ihr der Furche meines Schiffes folgt, ehe die zusammenlaufende 188 Fluth sie bedecke. Jene Helden, die nach Colchos schifften, sahen nichts so wunderbares, da Jason das Land mit den feurigen Stieren pflügte, als ich euch zeigen werde."
O Voi, che siete in piccioletta barca, |
Desiderosi d'ascoltar, seguiti |
Dietro al mio legno, che cantando varca |
Tornate a riveder li vostri liti: |
Non vi mettete in pelago, che forse |
Perdendo me rimarreste smarriti. |
L'acqua, che io prendo, giammai non si corse; |
Minerva spira, e conducemi Apollo, |
E nuove Muse mi dimostran l' Orse. |
Voi altri pochi, che drizzaste 'l collo |
Per tempo al pan degli Angeli, del quale |
Vivesi quì, ma non sen' vien satollo, |
Metter potete ben per l'alto sale |
Vostro navigio, servando mio solco |
Dinanzi all'acqua, che ritorna eguale. |
Que' gloriosi, che passaro a Colco, |
Non s'ammiraron, come voi farete, |
Quando Iason vider fatto bifolco. |
Canto II.
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Lassen Sie sich weder durch dieses prächtige Versprechen, noch durch den Fluch verleiten, den der Dichter auf eine verdeckte Art auf diejenigen legt, die ihn in diesem letzten Theile seines Gedichtes verlassen würden. Wir wollen seinem Schiffe so gar genau nicht folgen, daß sich die getrennte Fluth zwischen uns und ihm nicht einmal schliessen könnte; denn in der That ist sein Paradies der Theil seines Gedichts, der an grossen Schönheiten am unfruchtbarsten ist; ob es gleich der schönste hätte werden müssen, wenn der Dichter die grossen Begriffe von der Religion gehabt hätte, mit denen Milton unter den Engländern, und sein erhabner 189 Nachfolger unter uns den Himmel geschildert haben. Dante hat aus seinem Paradiese eigentlich ein Kloster gemacht, wo man beständig entweder über theologische Streitfragen disputiert, oder lateinische Psalmen anstimmt. Er stellet sich ihn nach dem alten ptolemaischen System vor. Diesem gemäß setzt er über die sieben Planetenhimmel, zu denen die Sonne mit gehört, den Himmel der Fixsterne, über diesen den krystallnen Himmel, oder das so genannte primum mobile, und endlich über alle diese Himmel das Empyräum, den eigentlichen und obersten Sitz der Gottheit.
Durch diese verschiednen Himmel vertheilt er so viele Gattungen von Seeligen. Er durchwandert einen nach dem andern, wie die Anhöhen des Fegfeuers und die Tiefen der Hölle, er findet wieder eine Menge Personen, die seine Landsleute und Zeitverwandte besonders intereßirten; doch sind ihre Gespräche meistentheils über Materien der Religion, obgleich der eifrige Gibellin auch hier noch oft sich zeigt; denn von dieser Wut 190 ist er im Fegfeuer nicht gereinigt worden, und er findet selbst im Himmel noch Gelegenheit, die Päbste zu verspotten.
Zuerst kömmt er in den Himmel des Mondes, der den keuschen Jungfrauen bestimmt ist. Er findet hier eine Schwester des Forese, mit dem er im Fegfeuer über die blossen Brüste der florentinischen Damen satirisirt hatte. Forese sagte ihm damals, daß er diese Schwester im Himmel wieder antreffen würde, von der er nicht zu sagen wußte, ob sie in ihrem Leben mehr schön, oder mehr gut gewesen,
- - - Che tra bella e buona |
No so qual fosse più. - - - |
Dante erkennt sie nicht sogleich. "In euren wunderbaren Gestalten," sagt er ihr, "glänzt ich weiß nicht was Göttliches, welches dem Bilde, das wir uns auf der Erde von euch machten, ganz unähnlich ist." Hierauf ist er begierig zu wissen, ob sie mit dem untersten Grade der Seligkeit, den sie hier geniessen, zufrieden sind. Sie lächelt über diese Frage, und antwortet ihm endlich mit der 191 Holdseligkeit einer himmlischen Liebe: "Wenn wir verlangten, höher zu steigen, so würde sich unser Wille dem Willen desjenigen widersetzen, der uns diesen Platz angewiesen; eine Widersetzung, die hier nicht statt findet. Sein Wille ist hier unsere Ruhe. Damals begriff ich," sagt Dante, "wie im Himmel jedes Wo ein Paradies ist." Bald darauf entstehen ihm zween neue Zweifel, die ihn mit so gleicher Stärke beunruhigen, daß er keinen fähig ist, vorzubringen; "denn," sagt er, "zwischen zwo gleich entfernten, gleich lockenden Speisen würde ein freyer Mensch eher Hungers sterben, als er zu der einen griffe." Der eine dieser Zweifel betrifft den wahren Ort der Seeligen; denn daß sie sich ihm hier auf verschiedne Planeten vertheilt zeigen, ist nur ein sinnliches Bild der verschiednen Grade ihrer Seligkeit; der wahre Aufenthalt aller Seeligen ist im empyreischen Himmel. Sein zweyter Zweifel ist, ob dem freyen Willen Gewalt geschehen könne, welches verneint wird. Er bezeugt seiner Führerinn, die ihm diese Zweifel auflöst, eine ungemeine Zufriedenheit darüber; er erkennet 192 daß unser Verstand nur in der "Wahrheit seine Ruhe findet, die er auch nothwendig erreichen kann, wenn nicht jeder unserer Triebe vergeblich ist. Durch den Trieb zu wissen keimt der Zweifel, gleich einem Sprößling, an der Wurzel der Wahrheit, und die Natur ist es, die uns von einer Stufe zur andern bis auf den Gipfel derselben führt."
Nasce a guisa di rampollo |
Appié del vero il dubbio: ed è natura, |
Ch'al sommo pinge noi di collo in collo. |
Aus dem Monde kömmt der Dichter in den Merkur, der den Seelen eingeräumt ist, die auf der Erde aus Ruhmbegierde tugendhaft gewesen. Unter diesen wendet sich insbesondere der Kayser Justinian an ihn; aber er verbirgt sich ihm in seinem Glanze, "wie die Sonne, die sich vor unsern Augen in zu vielem Lichte verhüllt, wenn die Hitze die dicken Dünste zernagt hat, die ihre Strahlen mäßigten."
Sì come'l sol, che si cela egli stessi |
Per troppa luce, quando'l caldo ha rose |
Le temperanze de' vapori spessi. |
Der Herr Professor Ebert führet in seinem vortrefflichen Commentar über die Nachtgedanken noch zwo andere Stellen des Dante an, die eben diesen Gedanken enthalten, der nachher fast von allen neuern Dichtern ist gebraucht worden. Ich halte den Dante fast für den Erfinder desselben; wenigstens kann ich mich nicht erinnern, ihn jemals in den Alten gefunden zu haben. Der Kayser giebt dem Dichter eine kurze Geschichte des römischen Reichs, vornehmlich in der Absicht, wie Sie wohl vermuthen, um auf die Guelfen und Gibellinen zu kommen; denn diese müssen allemal eingemischt werden, so oft sich nur eine Gelegenheit dazu zeigt. Unter andern Kaysern spricht er ihm von dem Cäsar, "der, nachdem er den Rubicon überstiegen, einen solchen Flug nahm, daß ihm keine Zunge, noch Feder folgen würde." Hierauf hat der Dichter neue Zweifel, und diese werden ihm wieder von seiner Führerinn aufgelöst. Einer davon ist über das Geheimniß der Erlösung. Sie sagt ihm hierüber: "Wenn du die Strafe, die unser Erlöser am Kreuze fand, mit der 194 Natur vergleichest, die er annahm, so ist niemals eine Strafe gerechter gewesen. Aber so ungerecht war auch nie eine Strafe, wenn du die Person betrachtest, die sie litt. Deswegen entsprangen aus Einer Handlung ganz verschiedene Dinge; denn derselbe Tod war zugleich Gott, und dem jüdischen Volke gefällig; vor ihm zitterte die Erde, und durch ihn eröffnete sich der Himmel."
Per lei tremò la terra, e'l Ciel s'aperse. |
Sie fährt hierauf fort, ihm zu zeigen, daß zu unserer Erlösung nur zween Wege waren; entweder, daß der Mensch der göttlichen Gerechtigkeit genugthäte, welches unmöglich war, "weil sich der Mensch durch Demuth und Gehorsam nicht so tief beugen konnte, als er durch Ungehorsam sich zu erhöhen gesucht hatte;" oder der zweyte Weg, daß Gott durch sein Erbarmen en Mittel fände, uns mit seiner Gerechtigkeit zu versöhnen. Das Mittel, das er wählte, war dasjenige, das seine Güte am vollkommensten offenbaren konnte. "Deswegen war auch nie, und wird niemals, zwischen der letzten Nacht unserer Erde, und dem Tag ihrer Schöpfung, 195 ein Verfahren seyn, das zugleich Gott und den Menschen so sehr verherrliche, so sehr erhöhe."
Nè tra l' ultima notte, e 'l primo die |
Sì alto e sì magnifico processo |
O per l'uno, o per l'altro fue, o fie. |
Der Himmel der Venus, in den der Dichter itzt kömmt, ist für wohlthätige, liebende Seelen, die den Menschen Gutes gethan haben. Unter diesen fällt er in eine Unterredung mit Carl Martellen, dem König von Ungarn, der ihm eine sehr gute Ursache angiebt, woher ein grosser Theil des moralischen Bösen kömmt.
Sempre Natura, se fortuna truova |
Discorde a se, come ogni altra semente |
Fuor di sua region, fa mala pruova. |
E se 'l Mondo laggiù ponesse mente |
Al fondamento, che Natura pone, |
Seguendo lui avria buona la gente. |
Ma voi torcete alla religione |
Tal, che fu nato a cingersi la spada, |
E fate Re di tal, ch'è da sermone |
Canto VIII |
"Niemals," sagte er ihm, "thut die Natur ihre rechte Würkung, wenn sie das Glück uneinig mit sich findet, so wie jeder Saame schlechte Früchte bringt, den man in ein Land wirft, das ihm zuwider ist. Wenn man auf der Erde den Grund beobachtete, den die Natur 196 legt, so würden die Menschen ihr folgen, und gut seyn. Aber ihr treibt manchen in ein Kloster, der gebohren war, sich den Degen zu umgürten, und macht aus einem andern einen König, der von der Kanzel hätte lehren sollen."
Nach andern Gesprächen noch, die wir verbeygehen wollen, steigt der Dichter in die Sonne, in welcher sich die heiligen Gottesgelehrten aufhalten. Er findet aber bey diesen gelehrten Personen nur eine sehr mittelmäßige Unterhaltung. Thomas von Aquin erzählt ihm die Lebensgeschichte des heiligen Franciscus, und der heilige Bonaventura beschreibt ihm das Leben des Dominicus. Nachher löst ihm der heilige Thomas einen wichtigen Zweifel, der ihm darüber entstanden war, daß jener den Salomon den weisesten unter den Menschen genennt hatte, welches Dante daher nicht glauben 197 kann, weil Christus in seiner Menschheit, und Adam im Stande der Unschuld auch unter die Menschen gehörten. Ich glaube nicht, daß Sie einer Erklärung dieser grossen Schwierigkeit bedürfen werden. Wir wollen also weiter gehn.
Im Mars wohnen die heiligen Streiter, die für den Glauben gekämpft haben. Hier findet Dante seinen Urältervater, Cacciaguida, der unter dem Kayser Conrad III. wider die Türken gefochten hatte. Der alte Ritter spricht in dem Geschmacke der alten Leute, die gern die vergangenen Zeiten auf Unkosten der gegenwärtigen rühmen. Er macht ein abscheuliches Bild von den Sitten der Zeitverwandten seines Urenkels.
"Zu meiner Zeit," sagt er, "stund Florenz noch im Umfange seiner alten Mauern, in Friede, mäßig und keusch. Noch hatte Sardanapal euch nicht gelehrt, was heimliche 197 Schande in verschloßnen Gemächern vermag. Noch waren keine kostbar gekleidete Frauen, deren Schmuck mehr, als die Person, anderer Augen auf sich zog. Noch setzte eine neugebohrne Tochter den Vater nicht in Furcht über ihre künftige Mitgift. Ich sah einen 2 Bellincion Berti, und andere seiner Art, mit Leder und 3 Knochen bekleidet, und ihre Frauen traten ohne Schminke vom Spiegel.
Fiorenza dentro dalla cerchia antica |
Si stava in pace, sobria, e pudica. - |
Non v'era giunto ancor Sardanapalo. |
A mostrar ciò, che'n camera si puote. - |
Non donne contigiate, non cintura, |
Che fosse a veder più, che la persona. |
Non faceva nascendo ancor paura |
La figlia al padre, che 'l tempo e la dote |
Non fuggian quinci, e quindi la misura. |
Bellincion Berti vid' io andar cinto |
Di cuojo e d'osso, e venir dello specchio |
La donna sua sanza 'l viso dipinto. - |
O Glückliche! jede war ihres Begräbnisses sicher; 199 keine lag noch verlassen in ihrem Bette, indem ihr Mann, als ein Verbannter, durch Frankreich irrte. Die eine wachte neben der Wiege, und sprach dem Kinde liebreich in der Sprache zu, mit der das Kind zuerst seine Eltern erfreuet. Die andere, die dem Rocken sein Haar entspann, erzählte ihren Kindern Geschichten von Troja, von Rom, von Fesole. Eine 4 Cianghella, ein 5 Salterello wären in diesen Zeiten solche 200 Wunder gewesen, als in den itzigen ein Cincinnatus, und eine Cornelia seyn würden. So redlichen Mitbürgern, einem so angenehmen Aufenthalte, bey einer so ruhigen, so schönen Lebensart, gab mich Maria, die meine Mutter in ihren Geburthsschmerzen angerufen hatte."
O fortunate! e ciascuna era certa |
Della sua sepoltura, ed ancor nulla |
Era per Francia nel letto deserta. |
L'una vegghiava a studio della culla, |
E consolando usava l'idioma, |
Che pria li padri, e le madri trastulla: |
L'altra traendo alla rocca la chioma |
Favoleggiava con la sua famiglia |
De' Trojani, e di Fesole, e di Roma. |
Saria tenuta allor tal maraviglia |
Una Cianghella, un Lapo Salterello, |
Qual or saria Cincinnato, e Corniglia, |
A così riposato, a così bello |
Viver di cittadini, a così fida |
Cittadinanza, a così dolce ostello |
Maria mi diè, chiamata in alte grida. |
Canto XV. |
Ich hoffe, daß Ihnen dieses Geschwätz des alten Mannes nicht ganz unangenehm seyn wird, weil er die Sitten dieser gothischen Zeit schildert, und zugleich zeigt, wie hoch die Schwelgerey, schon zur Zeit des Dante, in Florenz gestiegen war. Cacciaguida erzählt hierauf seinem Urenkel die Geschichte seiner Familie und seiner Vaterstadt. Endlich prophezeyt er ihm seine Verbannung.
"Wie Hyppolytus wegen seiner unmitleidigen und treulosen 201 Stiefmutter Athen verließ, so wirst du dich aus Florenz entfernen müssen. Dieses wünschet, dieses sucht man itzo schon, und bald wird derjenige 6, der darauf sinnt, es dort zu Stande bringen, wo man Christum jeden Tag verkauft. Die Verläumdung wird, nach ihrer Gewohnheit, dem Unterdrückten folgen; aber die gerechte Rache des Himmels wird der Wahrheit Zeugniß geben. Du wirst alles verlassen, was dir am liebsten ist; Du wirst erfahren, wie bitter fremdes Brodt schmeckt, wie hart der Weg auf fremden Treppen ist."
Qual si partì Ipolito d'Atene |
Per la spietata e perfida noverca, |
Tal di Fiorenza partir ti conviene. |
Questo si vuole, e questo già si cerca; |
E tosto verrà fatto a chi ciò pensa |
Là, dove Christo tutto dì si merca. |
La colpa seguirà la parte offensa |
In grido, come suol: ma la vendetta |
Fia testimonio al ver, che la dispensa. |
Tu lascerai ogni cosa diletta |
Più caramente: - - - |
Tu proverai, sì come sa di sale |
Lo pane altrui, e com' è duro calle |
Lo scendere e il salir per l' altrui scale. |
"Und um deinen Mühseligkeiten ein unerträglich Gewicht zu geben, werden die boshaften, uneinigen Gefährten deines Unglücks, ganz undankbar, ganz rasend und gottlos, sich wider dich erheben; aber kurz nachher werden sie, und nicht du, darüber erröthen. Ihr Verfahren wird von ihrer Unsinnigkeit zeugen; dir wird es ein Ruhm seyn, daß du dich allein dir zur Partey gemacht hast."
E quel, che più ti graverà le spalle, |
Sarà la compagnia malvagia e scempia, |
Con laqual tu cadrai in questa valle, |
Che tutta ingrata, tutta matta ed empia |
Si farà contra te: ma poco appresso |
Ella, non tu, n'avrà rossa la tempia. |
Di sua bestialitate il suo processo |
Farà la pruova, sì ch' a te fia bello |
Avertì fatta parte per te stesso. |
"Deine erste Zuflucht, dein erster Schirm wird die Huld des grossen 7 Lombarden 203 seyn, der den 8 heiligen Vogel auf der goldnen Leiter führet. Er wird einen so günstigen Blick auf dich werfen, daß von dem Gewähren und dem Bitten dasjenige unter euch beyden das erste seyn wird, was bey andern das letzte ist. Mit ihm wirst du 9 denjenigen sehen, auf den bey seiner Geburt dieses mächtigen Gestirn 10 seinen Einfluß so reichlich ergossen, daß seine Thaten eines ewigen Gedächtnisses würdig seyn werden. Noch 204 entdecken es die Menschen nicht, wegen seines zarten Alters; da die Sonne nur erst neunmal ihren Lauf um ihn vollendet."
Lo primo tuo rifugio, e' l primo ostello |
Sarà la cortesia del gran Lombardo, |
Che'n su la Scala porta il santo uccello, |
Ch' avrà in te sì benigno riguardo, |
Che del fare, e del chieder, tra voi due |
Fia prima quel, che tra gli altri è più tardo. |
Con lui vedrai colui, che impresso fue |
Nascendo sì da questa Stella forte, |
Che notabili fien l'opere sue. |
Non se ne sono ancor le genti accorte |
Per la novella età, che pur nove anni |
Son queste ruote intorno di lui torte. |
"Aber ehe noch der Gasconier 11 den grossen Heinrich 12 betrügt, werden sich schon Funken seiner Tugend, in seiner Freygebigkeit, in seiner Standhaftigkeit in Arbeiten zeigen. Seine Großmuth wird sich so sehr offenbaren, daß seine Feinde selbst nicht davon werden schweigen können. 205 Auf ihn, auf seine Wohltätigkeit setze dein Vertrauen. Durch ihn werden viele ihr Schicksal verändern, und Reiche und Bettler ihren Zustand vertauschen. Du wirst seinen Ruhm in deiner Seele geschrieben verwahren, ohne davon zu reden; und hier vernahm ich Dinge," fügt Dante hinzu, "die den gegenwärtigen Zeugen selbst nie glaublich seyn werden."
Ma pria che 'l Guasco l' alto Arrigo inganni, |
Parran faville della sua virtute |
In non curar d'argento, nè d'affanni. |
Le sue magnificenze conosciute |
Saranno ancora sì, che i suoi nimici |
Non ne potran tener le lingue mute. |
A lui t'aspetta, ed a' suoi benifici: |
Per lui fia trasmutata molta gente, |
Cambiando, condizion ricchi e mendici. |
E portera'ne scritto nella mente |
Di lui, ma nol dirai; e disse cose |
Incredibili a quei, che fia presente. |
Die Art, mit welcher der Dichter hier seinen Wohlthäter erhebt, ist so schön, so edel, als man etwas in dieser Gattung bey irgend einem Dichter finden kann. Sonderlich ist der Kunstgriff überaus fein, dessen er sich bedient, Can den Grossen zu rühmen, der damals noch ein Kind war, von dem er ohne Zweifel nur wenig noch zu sagen hatte. Zuletzt vermahnt ihn sein Ahnherr, das Vorhaben auszuführen, 206 welches er ihm hatte merken lassen, nämlich, seine Comödie zu schreiben. Er hatte ihm gesagt:
"Unten in jener Welt unendlicher Qual, und auf den Höhen des Berges, von dessen schönem Gipfel mich meine Führerinn hieher erhoben, und nachher im Himmel habe ich, von Gestirn zu Gestirn, Dinge vernommen, die denen, die sie lesen würden, von zu scharfem Geschmacke seyn möchten. Aber wenn ich ein zu furchtsamer Freund der Wahrheit seyn wollte, so fürchte ich, unter denen das Leben zu verliehren, die unsere Zeit die Zeit der Alten nennen werden."
Giù per lo mondo senza fine amaro, |
E per lo Monte, del cui bel cacume |
Gli occhi della mia donna mi levaro, |
E poscia per lo Ciel di lume in lume |
Ho io appreso quel, che, s'io ridico, |
A molti fia favor di forte agrume: |
E s'io al vero son timido amico, |
Tempo di perder vita tra coloro, |
Che questo tempo chiameranno antico. |
In dieser Ungewißheit des Dichters ermuntert ihn Cacciaguida, sein Werk beherzt auszuführen. 207
"Einem Gewissen," sagt er ihm, "das durch eigne Verbrechen, oder anderer Schande befleckt ist, wird deine Rede herbe seyn. Dem ohngeachtet offenbare, was du gesehen, mit Entfernung aller Unwahrheit, und laß den Aussätzigen dadurch verwundet werden. Denn, wird auch deine Lehre beym ersten Geschmacke bitter seyn, so wird sie nachher, wenn sie verdaut ist, eine Nahrung zum Leben lassen. Deine Stimme wird gleich einem Winde seyn, der die höchsten Gipfel am meisten erschüttert; ein nicht geringes Zeichen einer edlen Seele. 208 Deswegen sind dir in diesen Sphären, auf dem Berge, und in dem Thale der Schmerzen nur die Seelen derer gezeigt worden, die durch den Ruf bekannt sind."
- - - - - - Coscienza fusca |
O della propria, o dell' altrui vergogna, |
Pur sentirà la tua parola brusca. |
Ma nondimen, rimossa ogni menzogna, |
Tutta tua vision fa manifesta, |
E lascia pur grattar dov'e la rogna; |
Che se la voce tua sarà molesta |
Nel primo gusto, vital nutrimento |
Lascerà poi, quando sarà digesta. |
Questo tuo grido farà come vento, |
Che le più alte cime più percuote: |
E ciò non fa d'onor poco argomento. |
Però ti son mostrate in queste ruote, |
Nel monte, e nella valle dolorosa |
Pur l'anime, che son di fama note. |
Canto XVII. |
Vergeben Sie mir die Weitläuftigkeit, in die ich, bey diesem Gespräche zwischen dem Ahnherrn und den Enkel, gerathen bin. Es hat mir nicht nur würkliche Schönheiten zu enthalten geschienen, sondern ich glaubte auch, daß ich Sachen nicht übergehen dürfte, die den Dichter und sein Werk so nahe betreffen.
Wir wollen ihm nunmehr in den Jupiter folgen. Hier sind die Seelen derer, die auf der Erde die Gerechtigkeit handhabten. Der Dichter giebt uns itzt eine seiner Decorationen des Himmels, die aber in einem ziemlich seltsamen Geschmacke ist. Alle die Seelen, die sich hier aufhalten, tanzen ein figurirtes Ballet, welches die Buchstaben formirt, 209 aus denen die Worte zusammen gesetzt sind, diligite justitiam, qui judicatis terram. Nachher schliessen sie sich an einander, und formiren eine Figur, die des Dichters heiligen Vogel, den Adler, vorstellt. Um sich das ganze Bild von diesem Schauspiele zu machen, müssen Sie wissen, daß der Boden des Jupiters auf dem es vorgestellt wird, reines Silber ist, auf dem sich so viele Seelen, die alle gleich dem Golde schimmern, nicht übel ausnehmen müssen. Der Augapfel des Adlers ist David. In den Augenbramen sind der Kayser Trajan, und Virgils Ripheus,
- - - - - - - - justissimus unus |
Qui fuit in Teucris, et servantissimus aequi |
Deswegen war es auch wohl billig, ihm einen Platz im Paradiese zu geben. Aber damit doch der Dichter dabey seiner Kirche nicht zu sehr widersprechen möchte, so giebt er vor, daß die Seelen dieser beyden Heyden, wegen ihrer grossen Tugend, und Trajan insbesondere auf die Vorbitte des heiligen Gregors, aus dem Limbus wieder zurück auf die Erde in ihre Körper gesandt worden, 210 und alsdenn sich zum christlichen Glauben bekehrt hätten. "Von der Zunge des heiligen Adlers schallet das Ich und das Mein nicht anders, als wenn er ein einzelnes Geschöpf gewesen wäre." Mit diesem redenden Vogel geräth der Dichter in ein Gespräch, wo es wieder über Päbste, Cardinäle, und Könige hergeht. "Aber du," redet er den Pabst Bonifaz VIII., seinen grossen Feind, an, "der du den Bann nur schreibest, um ihn für Geld wieder auszustreichen, denke, daß Petrus und Paulus noch leben, die für dein Weinberg starben, den du verwüstest. Aber du kannst wohl sagen: Mein Verlangen ist so sehr auf denjenigen geheftet, der in der Wüste lebte, und durch einen Tanz zur Marter gezogen ward, daß ich weder den Fischer, noch Paulus mehr kenne." Der Heilige, dem dieser Pabst so sehr seine Andacht wiedmet, ist Johannes der Täufer, der Schutzheilige von Florenz, dessen Bildniß auf den florentinischen Dukaten steht, die der Dichter hier, durch eine Figur der Rede, für den Heiligen selbst annimmt. Er legt diesem Adler auch einen schweren 211 Zweifel über die Verdammniß tugendhafter Heyden vor, die von dem christlichen Glauben keine Nachricht haben konnten. Dieser gordische Knoten wird mehr entzwey gehauen, als aufgelöst. Dante sagt: "Ein Mensch wird an den Ufern des Indus gebohren, und dort ist Niemand, der Christum lehre. Alle seine Neigungen, seine Handlungen sind gut, so viel die menschliche Vernunft sieht, ohne Sünde in seinem Leben, und in seinen Worten. Er stirbt ungetauft und ohne Glauben; wo ist die Gerechtigkeit, die ihn verdammet? wo ist seine Schuld, wenn er nicht glaubt?" Hierauf antwortet ihm der Adler: "Wer bist du, der du dich auf den Richterstuhl setzen willst, um mit deinem Blicke, der eine Spanne reicht, auf tausend Meilen zu richten?"
Or tu chi se', che vuoi sedere a scranna, |
Per giudicar da lungi mille miglia |
Con la veduta corta d'una spanna? |
Doch giebt er ihm zu, daß viele Christen an jenem Tage durch die Heyden werden beschämt werden; und hier kommen viele Beyspiele, 212 die Sie sich leicht vorstellen können. "O Gnadenwahl," ruft er endlich aus, "wie weit ist deine Wurzel von dem Blicke derjenigen entfernet, die den ersten Grund aller Wesen nicht ganz übersehen! Und ihr, ihr Sterblichen, enthaltet euch zu richten; denn wir, die Gott von Angesicht sehen, wir kennen noch nie alle die Auserwählten."
O predestinazion, quanto rimota |
È la radice tua da quegli aspetti, |
Che la prima cagion non veggion tota! |
E voi mortali tenetevi stretti |
A giudicar; che noi, che Dio vedemo, |
Non conosciamo ancor tutti gli eletti. |
Aus dem Jupiter kommen wir in den Saturn, den Sitz heiliger Einsiedler, die ihr Leben auf der Erde der Betrachtung gewiedmet haben. Auf diesem Planeten steht eine goldne Leiter, die bis an den empyreischen Himmel reicht, auf deren Sprossen die Engel beständig auf und nieder steigen. Diese Erdichtung scheint mir so reizend, als die goldene Kette, mit welcher Homer die Erde an dem Olymp anhängt.
Von hier steigt der Dichter in den achten Himmel, den Himmel der Fixsterne, und 213 kömmt zuerst in die Constellation der Zwillinge, unter der er gebohren worden. "O herrliche Gestirne," ruft er aus, "o Licht, schwanger von grosser Kraft, dem ich alle mein Genie, wie es auch seyn mag, zu danken habe!" Diesem astrologischen Irrthum hängt Dante noch an, ob er gleich nicht glaubt, daß man die Zukunft in den Gestirnen lesen könne. "Hier," sagt er, "kehrte ich mit dem Blick durch alle die sieben Sphären zurück, und sah diese Erdkugel so, daß ich über den verächtlichen Anblick lachte. Ich sah die Tochter der Latona, ohne jenen Schatten erleuchtet, welcher Ursache war, daß ich vorher ihren Körper an einer Stelle fester, an der andern dünner glaubte. Den Anblick deines Sohns, o Hyperion, hielt 214 ich hier aus, und sah, wie sich um ihn her Merkur und Dione bewegen. Hierauf erschien mir das gemäßigte Licht des Jupiters, zwischen den Flammen seines Sohnes, und der Kälte seines Vaters. Hier wurden mir alle die Veränderungen ihrer Stellung klar, und alle sieben zeigten sich mir, wie groß, wie schnell, in wie ungleicher Entfernung sie von einander sind. Dieses Fleckgen Land, das uns so wütend macht, erschien mir ganz, von seinen Höhen bis in seine Tiefen."
Col viso ritornai per tutte quante |
Le sette spere, e vidi questo globo |
Tal, ch'io sorrisi del suo vil sembiante: - |
Vidi la figlia di Latona incensa |
Senza quell' ombra, che mi fu cagione, |
Perchè già la credetti rara e densa. |
L'aspetto del tuo nato, Iperione, |
Quivi sostenni, e vidi com' si muove |
Circa, e vicino a lui Maja e Dione. |
Quindi m'apparve il temperar di Giove |
Tra'l padre e'l figlio; e quindi mi fu chiaro |
Il variar, che fanno, di lor dove: |
E tutti e sette mi si dimostraro |
Quanto son grandi, e quanto son veloci, |
E come sono in distante riparo. |
L'ajuola, che ci fa tanto feroci, - |
Tutta m'apparve da' colli alle foci. |
Canto XXII. |
Bey dieser Stelle sind einige Ausleger in einer grossen Verlegenheit; denn sie gerathen hier ins Gedränge zwischen dem Dante, 215 und einem andern Dichter, für den sie nicht weniger Ehrfurcht haben; ich meine den Ariost, der seinem Astolf aus dem Monde die Erde nicht anders, als einen kleinen Punkt, sehen läßt. Man entdeckt aber leicht, daß ein so glaubwürdiger Schriftsteller, wie Ariost, alle Wahrscheinlichkeit verletzet, wenn Dante in einer so viel grössern Entfernung, aus den Fixsternen, auf unserer Erde noch Thäler und Berge hat unterscheiden können. In einer solchen verzweifelten Enge machen sie es, wie die dramatischen Dichter, die einen sehr verwirrten Knoten durch eine Maschine lösen; sie sagen, daß Dante hier durch eine übernatürliche Stärkung seines Gesichts so viele Dinge gesehen, und damit ist die Ehre des Ariost gerettet.
Hierauf giebt uns der Dichter ein prächtiges Schauspiel, bey dem wir etwas verweilen wollen. Es ist ein Triumph Christi. Was für ein Materie für den Pinsel eines Miltons, eines Klopstocks! Dante war zu sehr in die engen Begriffe seiner Zeit, und seiner Religion eingeschränkt, 216 er wagt ihn nicht einmal ganz zu beschreiben. Sehen Sie hier die vornehmlichsten Züge seines Gemähldes: "Wie der Vogel, der durch die Nacht, die uns alle Dinge verbirgt, zwischen dem Laub auf dem geliebten Neste sitzet, dem Tage auf den sich öffnenden Zweigen zuvoreilt, um des erwünschten Anblicks seiner Jungen zu geniessen, und die Speise zu suchen, mit der er sie nähre; zärtliche Sorge, die ihm jede Arbeit angenehm macht. Mit brennender Begierde harrt er auf die Sonne, und sieht starr nach dem Himmel, ob nur die Dämmerung anbreche; so aufgerichtet durch die Erwartung stund meine Führerinn, und 217 wandte sich aufmerksam nach dem Striche des Himmels, unter dem die Sonne im Mittage zu ruhen scheint."
Come l'augello intra l'amate fronde |
Posato al nido de' suoi dolci nati |
La notte, che le cose ci nasconde, |
Che per veder gli aspetti desiati, |
E per trovar lo cibo, onde gli pasca, |
In che i gravi labor gli sono aggrati, |
Previene'l tempo in su l'aperta frasca, |
E con ardente affetto il Sole aspetta, |
Fiso guardando, pur che l'alba nasca; |
Cosi la donna mia si stava eretta, |
E attenta rivolta inver la plaga, |
Sotto laquale il Sol mostra men fretta: |
"Da ich sie in dieser Stellung sah, ward mir, wie demjenigen, der begierig auf etwas Neues hofft, und unterdessen sich in der Hoffnung befriedigt. Aber nur wenige Zeit verfloß zwischen meinem Wunsch und seiner Erfüllung; denn auf einmal sah ich den Himmel sich immer mehr und mehr erheitern. Und meine Führerinn sagte: Sieh hier die Schaaren des Triumphes Christi, sieh hier die Frucht deines Fluges durch diese Sphären ererndet."
Sì che veggendola io sospesa e vaga, |
Fecimi qual è quei, che desiando |
Altro vorria, e sperando s'appaga. |
Ma poco fu tra uno ed altro quando: |
Del mio attender, dico, e del vedere |
Lo Ciel venir più e più rischiarando. |
E Beatrice disse: Ecco le schiere |
Del Trionfo di Christo, e tutto l' frutto |
Ricolto del girar di queste Spere. |
"Wie Trivia in ihrem vollen Lichte unter den ewigen Nymphen lachet, die den Himmel allenthalben mit ihrem Glanze erfüllen, so sah ich, unter vielen tausend Lichtern, eine Sonne, die sie alle entzündete. Und durch das lebhafte Licht glänzte die leuchtende Substanz so hell, daß mein Blick den Schimmer nicht ertrug." - - - "O meine geliebte, theure Führerinn! - - - Sie versetzte mir: Dasjenige, was deinen Blick so sehr überwältiget, ist die Kraft, vor der keine andere sich schützet. Hier ist die Weisheit und die Macht, welche die Wege zwischen dem Himmel und der Erde 219 eröffnete, nach welcher die Menschen so sehnlich verlangt hatten."
Quale ne' plenilunii sereni |
Trivia ride tra le Ninfe eterne, |
Che dipingono 'l Ciel per tutti i seni; |
Vid'io sopra migliaja di lucerne |
Un sol, che tutte quante l'accendea, |
Come fa'l nostro le viste superne: |
E per la viva luce trasparea |
La lucente sustanzia tanto chiara |
Nel viso mio, che non lo sostenea. |
O Beatrice, dolce guida e cara! |
Ella mi disse: quel, che ti sobranza, |
È virtù, da cui nulla si ripara. |
Quivi è la sapienza, e la possanza |
Ch'aprì le strade tra'l Cielo e la Terra, |
Onde fu già sì lunga disianza. |
"So wie Feuer, das in einer Wolke nicht mehr Raum findet, sich losreißt, um sich auszubreiten, und wider seine Natur zur Erde stürzt, so schwang sich meine Seele, die unter dieser Herrlichkeit grösser ward, aus mir selbst, und was aus ihr wurde, kann ich mich nicht erinnern. - - - Mir war, wie demjenigen, dem noch ein Gefühl einer vergeßnen Erscheinung übrig ist, indem er sich vergebens bemüht, sie wieder ins Gedächtniß zurück zu rufen. - - - So muß mein heiliges Gedicht, welches den Himmel vorbildet, über 220 diese Geheimnisse wegeilen, wie ein Reisender über eine Tiefe, die seinen Weg durchschneidet. Aber wer die schwere Last meines Thema betrachtet, wird die sterbliche Schulter, die sie trägt, nicht tadeln, wenn sie unter ihr zittert."
Come fuoco di nube si disserra |
Per dilatarsi, sì che non vi cape, |
E fuor di sua natura in giù s'atterra; |
Così la mente mia tra quelle dape |
Fatta più grande di se stessa uscìo, |
E che si fesse, rimembrar non sape. - |
Io era come quei, che si risente |
Di visione obblita, e che s'ingegna |
Indarno, di riducerlasi a mente. - |
E così figurando 'l Paradiso |
Convien saltar lo sagrato Poema, |
Come chi truova suo cammin reciso. |
Ma chi pensasse il ponderoso tema, |
E l'omero mortal, che se ne carca, |
No'l biasmerebbe, se sott' esso trema. |
Canto XXIII. |
Darauf sieht der Dichter die Mutter Gottes in aller ihrer Herrlichkeit. "Wie sonst meine Augen, vom Schatten bedeckt, bey einem Strahl der Sonne, der durch eine zerrißne Wolke heiter durchfuhr, eine blühende Wiese sahen, so sah ich hier viele glänzende Schaaren, die aus der Höhe von einem starken Lichte bestrahlt wurden, ohne daß ich die Quelle dieses Lichtes erblicken konnte." Aus dieser Schaar treten nachher die drey Jünger, Petrus, Jakobus und Johannes, die den Dichter vor ein theologisches 221 Examen ziehen, um zu sehen, ob er auch würdig sey, bis in den empyreischen Himmel zu dringen. Der erste examinirt ihn über den Glauben, der zweyte über die Hoffnung, und der dritte über die Liebe. Zu ihnen gesellt sich hernach noch Adam, der dem Dichter von dem Stande seiner Glückseligkeit, von seinem Falle, und dann auch von der Sprache, die er gesprochen, Unterricht giebt. Er sagt ihm, daß diese Sprache schon ausgegangen, "ehe noch das Geschlecht Nimrods das nicht zu endende Werk unternahm." Um ihm eine kleine Probe von derselben zu geben, sagt er ihm, daß Gott der Eine geheissen habe. Hierauf folgt eine sehr reizende Beschreibung der himmlischen Glückseligkeit mit einer schönen Monologe des heiligen Petrus wider die Laster der Päbste. "Das ganze Paradies fieng an: Ehre sey dem Vater, dem Sohne, und dem heiligen Geiste. Der Gesang war so lieblich, daß er mich mit Wollust berauschte. 222 Alles, was ich vor mir sah, schien mir gleich einem Lächeln des Weltgebäudes, und die Entzückung floß in mich durch das Gehör und durch das Gesicht. O Freude! o unaussprechliche Wonne! o vollkommenes Leben der Liebe und des Friedens! o sicherer Reichtum ohne Begierden! Vor meinen Augen stunden die vier 13 Lichter in vollem Glanze, und dasjenige, 14 das vor den andern war, fieng an, noch stärkere Strahlen von sich zu werfen, und verwandelte 223 seinen Schein, wie wenn 15 die Sphäre des Jupiters ihr sanftes Licht mit dem flammenden Glanze des Mars vertauschte. Die Vorsehung, welche hier Aemter und Erlassung von Geschäfften vertheilet, hatte durch das Chor der Glückseligen ein allgemeines Stillschweigen ausgebreitet, als ich hörte: Wenn ich mich verfärbe, so wundere dich nicht; denn was ich sagen werde wird allen meinen Gefährten die Farbe verändern."
Al Padre, al Figlio, allo Spirito Santo |
Cominciò gloria tutto'l Paradiso, |
Sì che m'innebbriava il dolce canto, |
Ciò, ch'io vedeva, mi sembrava un riso |
Dell' Universo; perchè mia ebbrezza |
Entrava per l'udire, e per lo viso. |
O gioja! o ineffabile allegrezza! |
O vita intera d'amore e di pace! |
O sanza brama sicura richezza! |
Dinanzi agli occhi miei le quattro face |
Stavano accese, e quella, che pria venne, |
Incominciò a farsi più vivace; |
E tal nella sembianza sua divenne, |
Qual diverebbe Giove, s'egli e Marte |
Fossero augelli, e cambiassersi penne. |
La provedenza, che quivi comparte |
Vice e uficio, nel beato coro |
Silenzio posto avea da ogni parte, |
Quand'io udî: Se io mi trascoloro, |
Non ti maravigliar: che, dicend'io, |
Vedrai trascolorar tutti costoro. |
"Derjenige, der auf der Erde meinen 224 Stuhl raubt, meinen Stuhl, in dem ihn der göttliche Sohn nicht erkennet, hat aus meiner Grabstätte eine Cloake der Unreinigkeit und des Blutes gemacht, worüber der Verkehrte, der von dieser Höhe herabgestüzt worden, noch im Abgrunde sich erfreuet. Darauf sah ich den ganzen Himmel mit der Farbe bedeckt, mit welcher die Sonne am Abend und am Morgen die Wolken färbet. Wie ein keusches Frauenzimmer, das seiner Tugend versichert ist, über anderer Vergehen, auch wenn es nur davon hört, sich furchtsam entfärbet: so veränderte Beatrix ihr Antlitz;"
Quegli, ch'usurpa in Terra il luogo mio, |
Il luogo mio, il luogo mio, che vaca |
Nella presenza del Figliuol di Dio, |
Fatto ha del cimiterio mio cloaca |
Del sangue, e della puzza, onde 'l perverso, |
Che cadde di quassù, laggiù si placa. |
Di quel color, che per lo sole avverso |
Nube dipinge da sera e da mane, |
Vid'io allora tutto'l Ciel cosperso. |
E come donna onesta, che permane |
Di sè sicura, e per l'altrui fallanza |
Pure ascoltando timida si fane; |
Così Beatrice trasmutò sembianza: |
225 "und so, glaube ich, verlohr der Himmel seinen Glanz, als er das Leiden seines Schöpfers sah. Hierauf fuhr die redende Flamme fort, aber mit so veränderter Stimme, daß ihr Schein vorher sich nicht so sehr verändert hatte: Die Braut Christi ist nicht mit meinem Blute, mit dem Blute des Linus und des Cletus 16 genähret worden, um einem schändlichen Wucher zu fröhnen; sondern um unsere Glückseligkeit mit ihr zu erlangen, haben Sixt, Pius, Urban, und Calist 17 ihr Blut nach so vielen Thränen vergossen.
E tale eclissi credo che'n Ciel fue, |
Quando patì la suprema Possanza: |
Poi procedette le parole sue |
Con voce tanto da se trasmutata, |
Che la sembianza non si mutò piúe: |
Non fu la sposa di Christo allevata |
Del sangue mio, di Lin, di quel di Cleto, |
Per essere ad acquisto d'oro usata: |
Ma per acquisto d'esto viver lieto |
E Sisto, e Pio, Calisto, e Urbano |
Sparser lo sangue dopo molto fleto. |
226 "Unser Wille war nicht, daß unsere Nachfolger einen Theil der Christen zu ihrer Rechten, und einen andern zu ihrer Linken stellen sollten; noch daß die Schlüssel, die mir waren gegeben worden, zu einem Schilde in Fahnen würden, welche wider die Gläubigen zu Felde ziehen sollten, noch daß mein Bildniß, in ein Siegel geprägt, vor erkaufte und lügenhafte Freybriefe gesetzt würde, über die ich oft für Scham und Unwillen erröthe. In Schäferkleidung sieht man reissende Wölfe durch alle Heerden umhergehn. O göttliche Gerechtigkeit! warum erhebst du dich nicht?"
Non fu nostra 'ntenzion, ch'a destra mano |
De 'nostri successor parte sedesse, |
Parte dall' altra del popol Christiano: |
Nè che le chiavi, che mi fur concesse, |
Divinisser segnacolo in vessillo, |
Che contra i battezzati combattesse; |
Nè che io fossi figura di sigillo |
A' privilegi venduti e mendaci, |
Ond'io sovente arrosso e disfavillo. |
In vesta di pastor lupi rapaci |
Si veggion di quassù per tutti i paschi. |
O difesa di Dio, perchè pur giaci? |
Canto XXVII. |
227 Endlich kömmt der Dichter durch den neunten, den krystallnen Himmel bis in das Empyräum. Hier findet er "intellectuelles Licht voll Liebe, Liebe des wahren Guten voll Freude, Freude, die alles Vergnügen übersteigt."
Luce intellettual piena d'amore, |
Amor di vero ben pien di letizia, |
Letizia, che trascende ogni dolzore. |
Aber er findet sich sonst ganz ausser Stand, uns etwas deutliches von diesem Reiche der Seligkeit zu sagen. Alles ist hier Glanz, in zu vieles Licht verhüllt, Licht der Sonne, dem kein sterblicher Blick gewachsen ist. Er sieht Gott, als ein unbegreiflich leuchtenden Punkt, mit neun Hierarchien von Engeln, wie mit neun strahlenden Kreisen, umgeben. Er sieht einen Strom von Licht zwischen zwey Ufern, die von einem wunderbaren Frühlinge gemahlt sind. "Aus diesem Flusse flogen lebende Funken, und setzten sich von allen Seiten in die Blumen, wo sie gleich Rubinen glänzten, die mit Gold eingefaßt sind. Nachher, gleichsam berauscht von den wohlriechenden Düften, versenkten sie 228 sich wieder in den wunderbaren Strom." Alle die Seeligen schliessen sich hierauf zusammen, und machen die Figur einer Rose, um welche die Engel beständig hin und her schweben. "Diese haben die Gesichter von lebender Flamme, Flügel von Gold, und den Rest des Körpers weit weisser, als der reinste Schnee. In welche Verwunderung," sagt der Dichter, "mußt ich hier nicht gerathen, da ich aus Florenz hieher kam." Sie stellen sich leicht vor, was er für einen Nachdruck auf das Wort Florenz legt. Da er sich umwendet, um sich von seiner Führerinn etwas erklären zu lassen, so findet er, daß sie verschwunden ist; denn sie hat itzt wieder ihren Platz unter den Seeligen eingenommen. Dagegen erscheint ihm ein Greis zur Seite, "über dessen Augen und Wangen, in frommer Geberde, sich ein holde Fröhlichkeit ergoß, wie sie einem zärtlichen Vater ansteht." Dieser Greis ist der heilige Bernhard, der ihm noch am Ende seiner Reise zum Lehrer und Führer dient. Er löst ihm anfangs einen Zweifel über das Schicksal der Kinder auf, die in einem so zarten 229 Alter gestorben, daß sie noch durch eignen Glauben sich nicht retten konnten. Der heilige Lehrer neigt sich hier völlig auf das System der Calvinisten von der Gnadenwahl, und führt auch das Beyspiel vom Esau und Jakob an. Nachher thut er ein Gebet an die Mutter Gottes, daß sie unsern Dichter eines nähern Anschauens der Gottheit würdig machen möge. "In dir," sagt er, "vereinigt sich Erbarmen, in dir Huld und Herrlichkeit, in dir alle Güte, welche unter die Geschöpfe vertheilt ist. Dieser Sterbliche, der von dem tiefsten Abgrunde an, bis hieher, das Leben der Geister von Grade zu Grade gesehen, flehet zu dir bey deiner Gnade, ihm so viele Kraft mitzutheilen, daß er sich mit den Augen noch höher, bis gegen das höchste Gut erheben könne." Dieses Gebet wird erhört, Dante thut einen Blick in die Tiefen der Gottheit, "und sieht in ihr durch das Band der Liebe alle die Vollkommenheiten vereinigt, welche durch das Weltgebäude vertheilt sind."
Nel suo profondo vidi, che s'interna |
Legato con amore in un volume |
Ciò, che per l'universo si quaderna. |
230 "Der Anblick dieses Lichtes," sagt er, "reißt die Seele so mächtig zu sich, daß es ihr unmöglich wird, sich nachher nach andern Gegenständen zu wenden: denn das Gute, das unser Wille sucht, vereinigt sich alles in ihm, und ausser ihm ist alles mangelhaft, was in ihm vollkommen ist. In der tiefen und leuchtenden Substanz des grossen Lichtes," fährt er fort, "sah ich drey Kreise, von drey Farben, und von gleichem Umfange. Der eine strahlte von dem andern ab, wie ein Regenbogen von dem andern, und der dritte schien Feuer, das auf gleiche Weise aus diesem und aus jenem entstund. O wie 231 eng, wie schwach sind Worte für meinen Gedanken, und wie wenig, oder vielmehr wie nichts sind meine Gedanken für dasjenige, was ich sah!" Zuletzt sieht der Dichter die wunderbare Vereinigung der beyden Naturen in Christo. Er ist begierig das Wo zu entdecken, in welchem die Gottheit an die Menschheit gränzt; aber es geht ihm, wie einem Meßkünstler, der seine Gedanken heftet, um den Zirkel zu messen, und den Grundsatz nicht findet, den er nöthig hat. "Hier vergieng," sagt er endlich, "meiner hohen Phantasie die Kraft; aber mein Wille ward, gleich einem Rade, das in bestimmtem Maasse gedreht wird, von demjenigen gelenkt, der die Sonne und die andern Gestirne beweget."
A quella luce cotal si diventa, |
Che volgersi da lei per altro aspetto, |
È impossibil, che mai si consenta; |
Perocchè 'l ben, che'è del volere obietto, |
Tutto s'accoglie in lei; e fuor di quella |
È diffetivo ciò, ch'è lì perfetto. - |
Nella profonda e chiara sussistenza |
Dell'alto lume parvermi tre giri |
Di tre colori, e d'una continenza: |
E l'un dall'altro, come Iri da Iri, |
Parea reflesso; e'l terzo parea fuoco, |
Che quinci e quindi igualmente si spiri. |
O quanto è corto 'l dire, e come fioco |
Al mio concetto! e questo a quel, ch'io vidi, |
È tanto, che non basta a dicer poco |
Canto XXXIII. |
Und hier haben wir diese Reise durch die Geisterwelt geendigt. Wenn wir einen Blick in das Gedicht zurück werfen, so finden 232 wir unzweifelhafte Spuren eines Genies, dem nichts als die Einsichten und der Geschmack eines aufgeklärtern Zeitalters fehlten, oder auch nur das blosse, und von falschen Begriffen unbefleckte Licht der gesunden Vernunft, um sein Werk zu der Vollkommenheit der grossen Meisterstücke des Alterthums zu erheben. So wie es ist, glaubt man einen der alten gothischen Palläste zu sehen, die ungeachtet des übeln Geschmacks ihres Grundrisses, und der meisten Verzierungen, zuweilen ein Ansehen von Grösse und Kühnheit haben, das in Erstaunen setzt. Von allen Talenten, die den grossen Dichter ausmachen, findet man Proben darinnen. Es sind nur wenige Fehler desselben, die man nicht der Zeit des Dichters zuschreiben müßte, und fast keine seiner Schönheiten, die er sich nicht ganz allein zu danken hätte. Viele von seinen Ungereimtheiten selbst sind von der Art, daß sie einem mittelmäßigen Kopfe nicht einmahl einfallen konnten. In einer Zeit der Dunkelheit macht er sich selbst einen neuen, noch nie betretenen Weg, bald über steile Gebürge, bald durch Moräste und dicke Wälder. 233 Er stolpert, er fällt, er verirrt sich oft; aber er zieht allemahl weit mehr Aufmerksamkeit auf sich, als andere, die auf einem gebahnten Wege, ohne Gefahr, und mit gesetztem Schritte wandern. Sein Werk, welches alle Regeln beleidigt, die man zum mechanischen Bau eines Gedichtes gegeben, und dem ohngeachtet, seit mehr als vier Jahrhunderten, immer von neuen wieder aufgelegt, immer gelesen, und von denen am meisten gelesen wird, die seine Fehler am besten kennen, ist ein grosser Beweis, wie wenig diese Regeln das Wesentliche der Kunst ausmachen, wie man uns, vor einiger Zeit, durch Critiken und durch Beyspiele, bereden wollte. Man that im Ernste, was Pope einmahl im Scherze that, man gab Recepte zu Gedichten. Nur eine Stuffe weiter unten wäre die Lullianische Kunst, und des Engländers Mühle; tiefsinnige Erfindungen, welche die größte Arbeit des Genies in ein Werk der Hände verwandeln würden, zu einer grossen Erleichterung von der Natur verwahrloster Dichter, aber zur unerträglichen Pein ihrer Leser. Die grosse, die wesentliche Regel ist, 234 Genie zu haben. Wer glücklich genug ist, diese zu beobachten, bringt zwar ohne Zweifel ein vollkommner Werk hervor, wenn er auch die andern nicht vernachläßigt; aber er kann sie vernachläßigen, und sein Werk wird allemahl weit über alles dasjenige erhaben bleiben, was nur Kunst, Arbeit und Richtigkeit ist. Starke Bilder der Natur, richtig nachgeahmte Leidenschaften, das Feuer der Einbildungskraft, die vivida vis animi, die über das Herz und über die Einbildungskraft des Lesers herrschet, diese sind der Lebensgeist, welcher die Werke der Dichtkunst vor der Verderbniß bewahret. Von diesem schönen Feuer schimmern häufige Funken durch das Werk unseres Dichters, die von seinen Landsleuten vielleicht mit desto mehr Begierde und Vergnügen aufgesucht werden, jemehr sie in der Dunkelheit versteckt liegen, und dadurch dem Leser, der sie entdeckt, eine Art von Verdienst geben. Dabey ist er der erste unter ihnen, welcher der Einbildungskraft grosse Bilder vorgelegt, der das Herz duch starke Empfindungen gerührt hat. Er ist der Stifter ihrer poetischen Sprache, und 235 eine reiche Quelle von Erfindungen für ihre besten Dichter gewesen. Tasso, unter andern, hat ganze Verse von ihm in sein Jerusalem versetzt, die mit zu den schönsten seines Gedichtes gehören. Man darf sich also nicht sehr wundern, wenn sich ihre Bewunderung für ihn dem Aberglauben naht; wenn sie vergessen, das Werk von dem Genie des Dichters zu unterscheiden, wenn endlich ihren besten Kunstrichtern, einem Muratori, einem Gravina, das ganze Gedicht, mit allen seinen Unvollkommenheiten, göttlich ist. Nichts ist mehr zu entschuldigen, wie mir däucht, als dieser Irrthum; die ersten Genies, die eine Bahn öffnen, haben ein unstreitiges Recht auf die Bewunderung der Nachwelt; obgleich, in jedem Falle, die Wahrheit besser ist.
Nur vor ein paar Jahren erhob sich ein witziger Kopf in Italien, der das Vorurtheil seiner Landesleute für den Dante sowohl, als für den Petrarca, lächerlich zu machen suchte. In dieser Absicht schrieb er die kritischen Briefe, die ich bey der Geschichte des Ugolins 236 angeführt habe. Ich habe nirgends erfahren können, wer er ist. In einem kurzen Vorberichte des Herausgebers wird nur gesagt, "daß, wenn ja der gelehrte Zorn (ein grausamer und unerbittlicher Zorn) sich wider den unschuldigen Verfasser rüsten sollte, so würde dieser ganz sorglos dabey seyn, der schon seit langer Zeit von den Musen Abschied genommen, und itzt, fern von seinem Vaterlande, unter dem Geräusche der Waffen, und dem Gekrache der preußischen Kanonen, an ganz andere Dinge dächte, als an die Schlangen des Parnasses." Denn in Italien (um es Ihnen im Vorbeygehen zu sagen,) ist es nicht eine so gleichgültige Sache, über den Dante, oder sonst über einen wichtigen Punkt ihrer Litteratur, den angenommenen Meinungen zu widersprechen. Ihre Federkriege sind ungleich wütender, als die unsrigen. Ich werde Ihnen vielleicht in der Folge Beyspiele davon geben. [Cf. Goethes beskrivelse af et møde med såkaldte literatorer, citeret under Miscellaneous: Tekster. CN.] Itzt will ich Ihnen noch einen kurzen Auszug der Critik des erwähnten Kunstrichters vorlegen. Sie haben gesehen, wie er diese Critik den Virgil, in Gesellschaft der 237 andern Dichter des Alterthums, anstellen läßt. Sie können sich leicht vorstellen, in welche Verwunderung Virgil bey den schönen Sachen gerathen muß, die ihn Dante gleich im Anfange des Gedichts sagen läßt, über die grossen Stücke scholastischer Gelehrsamkeit, die ihm dieser in den Mund legt. Die beständige Vermischung heidnischer und christlicher Begriffe, die so seltsame und so wenig interessante Action, die rauhe Härtigkeit so vieler Verse, werden auf eine bittere Art verhöhnt. "Sehr schöne Verse gleichwohl," fährt Virgil fort, "die wir, von Zeit zu Zeit, antrafen, machten mir ein solches Vergnügen, daß ich ihm fast vergab. Aber da wir, nach Ueberschlagung vieler Seiten, an die Francisca von Rimini, an den Graf Ugolin, an irgend eine andere Stelle von dieser Art kamen; wie sehr ist es nicht Schade," rief ich aus, "daß so schöne Stücke in so viele Dunkelheit und Ausschweifungen verbannt sind. O mein Freund," sagte ich zu Homeren, "wehe uns, wenn dieses Gedicht regelmäßiger, und ganz in diesem Styl geschrieben wäre." Er 238 schlägt hierauf ein Mittel vor, wodurch man aus der göttlichen Comödie noch etwas vortreffliches machen könnte. Er will nämlich, daß man die schönsten Stellen ausziehen, diese mit einander verbinden, und daraus einen kleinen Band von drey oder vier Gesängen machen soll. Die einzelnen Verse, die sich mit andern in keine Verbindung bringen liessen, könnte man besonders setzen, nach Art der Fragmente, die wir von einigen alten Dichtern haben. Aller der schönen Verse überhaupt, die durch das Gedicht, so wohl in ganzen Stellen, als einzeln zerstreut sind, rechnet er ungefähr anderthalb tausend, wenn er recht gezählt hat. Alles das übrige will er in einer Bibliothec alter, seltner, und von Würmern zernagter Manuscripte verwahren lassen. Dahin, sieht man wohl, will er auch alle die philosophischen und theologischen Stücke verweisen, die sich, unter andern, der berühmte Salvini gewiß nicht hätte rauben lassen, welcher sich rühmte, daß er aus dem Dante mehr Theologie, als auf keiner Universität, gelernet hätte. Virgil endigt diese Critik, indem er den Dante aus 239 jeder Classe von Dichtern ausschließt. "Er that nichts anders," sagt er, "als eine phantastische Reise beschreiben, auf welcher der Eigensinn und seine Leidenschaften weit mehr, als ich, seine Führer waren. Ohne Regeln, die zu seiner Zeit unbekannt waren, ohne die Aufmunterung gegenwärtiger Beyspiele, verführten ihn diese, so viele Personen seiner Zeit durchzuziehen, von denen man keine Kenntniß mehr hat, einen eitlen Pomp mit so vieler Gelehrsamkeit zur Unzeit zu machen; denn sehr gelehrt war er, in der That; aber so, wie man es zu seiner Zeit seyn konnte. Ihn als ein Muster vorlegen zu wollen, ihn zu erheben, ohne ihn zu kennen, dieses ist es allein, was wir verdammen. Wenn er zu bessern Zeiten gelebt hätte, so wäre er vielleicht der größte unter den Dichtern gewesen. Ihm fehlte nichts, als Geschmack, und Kenntniß der Kunst. Aber seine Seele war groß, und erhaben; sein Witz scharf, und fruchtbar, 240 seine Einbildungskraft lebhaft, und mahlerisch." - "Ich kann," sagt er an einer andern Stelle, "diesen seltnen Mann nciht hoch genug schätzen, der, mitten unter so vieler Unwissenheit und Barbarey, sich zuerst erkühnt hat, an ein grosses Gedicht zu denken, und alle Gegenstände der Poesie beherzt zu schildern."
Anmerkungen:
1 Nach Platons Meinung ist die Ankunft unserer Seelen im Himmel nur eine Zurückkunft in ihr Vaterland, aus dem sie auf die Erde verbannt gewesen.
2 Ein sehr reicher florentinischer Edelmann zu des Cacciaguida Zeiten.
3 Lederne Röcke mit beinernen Knöpfen. Die Mode har sich nachher sehr verändert.
4 Aus der edlen Familie der Tosa, eine wegen ihrer Unkeuschheit sehr berufne Dame zur Zeit des Dante.
5 Ein schmähsüchtiger Rechtsgelehrter zu Florenz, dem unser Dichter nicht ungestraft die Zähne wies.
6 Vermuthlich Bonifaz der achte zu Rom
7 Alboin della Scala, der damals Verona beherrschte.
8 Das Wappen der Scaligers, oder der Herren della Scala, war ein schwarzer Adler auf einer goldenen Leiter.
9 Can der grosse della Scala, Alboins jüngerer Bruder.
10 Der Planet des Mars, wo die Scene dieses Gespräches ist.
11 Der Pabst Clemens V. war aus Gasgogne.
12 Clemens V. hatte die Erwählung Heinrichs VII. zur kayserlichen Würde, aus eigennützigen Absichten, begünstigt; widersetzte sich aber nachher, unter der Hand, seinem Zuge nach Italien, und that den Feinden des Kaysers Vorschub.
13 Adam mit den drey Aposteln, mit denen der Dichter bisher im Gespräche gewesen.
14 Der heilige Petrus.
15 Im Originale ist dieses auf die eigensinnigste Art ausgedrückt, die man erdenken kann. "Wie Jupiter werden würde," sagt der Dichter, "wenn Er und Mars Vögel wären, und ihre Federn vertauschten."
16 Zween Nachfolger des H. Petrus in der obersten Würde der Kirche, wie die Katholiken glauben.
17 Andere heilige Päbste und Märtyrer.