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S i e b e n u n d z w a n z i g s t e r  G e s a n g.
F o r t s e t z u n g.
Inhalt.
     Ulysses und Diomedes gehen mit Virgil's Erlaubniß weiter. Der sprachlustige Graf Guido von Montefeltro, der in Virgil, welchen er Lombardisch hat reden hören, einen eben abgeschiedenen Italiener vermuthet, kommt nun heran und frägt denselben nach dem politischen Zustande der Romagna, seines, der Lombardei benachbarten Vaterlandes, an dessen Händeln er bei Lebzeiten großen Antheil genommen. Virgil heißt den ihm näherstehenden und besser unterrichteten Dante dem Neulateiner antworten. Dante schildert nun zuerst den Zustand der Romagna im Allgemeinen und nimmt dann einige der wichtigsten Städte, als Ravenna, Forli, Rimini, Faenza, Imola und Cesena heraus. Als Lohn für seine gefällige Mittheilung bittet er dann den wißbegierigen Schatten um gefällige Nennung seines Namens, und dieser, in der Meinung, er brauche sich vor Dante, als seinem Mitverdammten, kenen Zwang anzuthun, erzählt ihm, daß er früher mehr dem listigen Fuchs, als dem gewaltthätigen Löwen geglichen habe; daß er später mit wahrhaft bußfertigem Herzen in den Franciscanerorden getreten sei; daß ihn aber Bonifacius VIII. wieder zu seiner Lieblingssünde verleitet habe, und daß bei seinem Tode ein zu Gunsten der Hölle ausfallender Streit entstanden sei, zwischen dem heiligen Franciscus, seinem Ordensvater, und einem schwarzen Cherub, in dessen Weise er gesündigt.

      Darauf wenden sich die Dichter zum neunten Thalgrund.


F a d e n.
1.
  Guido von Montefeltro frägt Virgil.
31.
  Dante antwortet auf Virgil's Geheiß.
55.
  Dante bittet um den Namen.
61.
  Guido erzählt seine Lebensgeschichte.
130.
  Die Dichter ziehen weiter.

XXVII.

1 Schon strebt die Flamme ruhig in die Höhe,
  Weil sie nicht fürder spricht, und schwebt von hinnen, -
  Der süße Dichter wehrt nicht, daß sie gehe, -
4 Als hinter ihr ein neues Licht da drinnen
  Das Auge zieht nach seinem obern Theile,
  Durch die verwor'nen Töne, die draus rinnen.
7 Wie der sicil'sche Stier, der vom Geheule  01
  Zuerst des Mannes, - das war billig! - schrillte,
  Der ihn zurecht gemacht mit seiner Feile,
10 Also mit des Gequälten Stimme brüllte,
  Daß er, obgleich von Erz gemacht, das Ausseh'n
  Hatt', als ob Schmerz das Eingeweid' ihm füllte:
13 So, weil kein Weg, kein Loch sich fand zum Ausweh'n
  In jenem Feuer, mußten im Anfange
  Die Jammerwort' in dessen Mundart ausgeh'n.
16 Doch wie sie durch die Spitze sich gedrange
  Bahn machten, und die Schwingung, die gegeben
  Die Zunge hatt', ihr gaben im Durchgange,  02
19 So hört ich: "Du, zu dem die Stimm' ich eben
  Erhebe, der du sprachst, wie die Lombarden:  03
  Nichts weiter schaff' ich, itzt kannst du entschweben!  04
22 Ließ ich dich auch ein wenig lange warten,
  Laß dir's nicht leid thun, mit mir anzubinden!
  Mir thut's nicht leid, hier in der Gluth, der harten.
25 Bist du erst jetzt in diese Welt der Blinden
  Gestürzt aus der Lateiner süßem Lande,
  Woher geholt ich hab all meine Sünden:
28 Sprich, kriegt Romagna, ist's im Friedensstande?
  Zwischen Urbino und der Tiberquelle
  Liegt das Gebirge, das ich Heimath nannte.  05
31 Gebeugt noch späht' ich an der alten Stelle;
  "'s ist ein Lateiner, rede du!" so sagte
  Und stieß mich in die Seite mein Geselle.
34 Und weil die Antwort fertig war, behagte
  Mir so zu reden, ohn' es aufzuschieben:
  "O Seele, du verborgen umgejagte,
37 Dein Römerland ist nicht, - wie's nie geblieben, -
  Im Herzen deiner Zwingherr'n ohne Streiten;
  Doch ward nichts offen, als ich ging, getrieben.  06
40 Ravenna wird, wie vor geraumen Zeiten,
  Noch überbrütet von Polenta's Aare,
  Des Schwingen auch um Cervia sich breiten.  07
43 Die Stadt, die erst geprüft ward lange Jahre,
  Dann die Franzosen streckt' in blut'ge Reihen,
  Liegt unter'n grünen Klauen. Noch erfahre:  08
46 Verruchio's alter Fanghund sammt dem neuen,
  Der den Montagna übel zugerichtet,
  Macht aus den Zähnen Bohrer, die noch dräuen.  09
49 Santerno's Stadt sammt der des Lamon pflichtet
  Dem Leu'n im weißen Lager, der die Fahne
  Tauscht, wie der Sommer vor dem Winter flüchtet,  10
52 Und die der Savio netzt, lebt, wie im Plane
  Sie halb, halb auf den Bergen liegt, so zwischen
  Der Freiheit und der Knechtschaft. Nun ermahne  11
55 Ich dich, auch deinen Namen aufzutischen;
  Sei härter nicht, als Andr' in deinem Kreise,
  Soll in der Welt dein Ruf sich nicht verwischen!"
58 Nachdem die Flamm' etwas in ihrer Weise
  Gemurmelt hatt', ergriff ein heftig Zittern
  Den spitzen Gipfel, und dann haucht' es leise:
61 "Hier diese Flamme würde nie mehr schüttern,
  Könnt' ich, daß meine Red' an Einen käme,
  Der jemals in die Welt zurückkehrt, wittern.
64 Doch weil, wenn ich die Wahrheit nur vernehme,
  Nie wer aus diesem Schlund dorthin zurückkam,
  So red' ich frei, da ich mich nun nicht schäme.
67 Ich war Soldat, bis ich zuletzt den Strick nahm;
  Abzahlen wollt' ich, so geschürzt, und Treue
  War auch im Willen; da zum Mißgeschick kam
70 Der Hohepriester, dem es schlecht gedeihe!  12
  Und warf, - aus welchem Grund, auf welchem Wege,
  Das hör! - in alte Sünden mich auf's Neue.
73 So lang' ich Fleisch und Blut noch trug, das träge,
  Von meiner Mutter, hatten meine Werke  13
  Vom Fuchs und nicht vom Löwen das Gepräge.  14
76 In allen Kniffen hatt' ich große Stärke,
  In allen Schlichen, und ich trieb's so tüchtig,
  Daß an des Erdballs End' es scholl. Nun merke!
79 Auf jenem Punkt des Alters stand ich richtig,  15
  Der jedermann die Segel einzuziehen,
  Zusammt dem Tauwerk, mahnt so gar gewichtig:
82 Und was ich suchte, fing ich an zu fliehen,
  That Buß', um mich dem Beichtiger zu nähern ,
  Ich armer Wicht! Ich glaub', es wär' gediehen.
85 Das Haupt von jenen neuen Pharisäern,
  In Krieg verwickelt nah am Laterane,  16
  Und nicht mit Saracenen, noch Judäern, -   17
88 Denn Christ war jeder unter Feindes Fahne,
  Und Keiner gegen Acre mit gezogen,
  Noch Handelsmann gewesen beim Sultane,  18
91 Ließ hohes Amt und Weihen unerwogen,
  So wie mein Halfterband, das einem Jeden,
  Der's trug, etwas vom Fette sonst entsogen.  19
94 Wie Constantin Sylvester bat im öden   20
  Soracte, ihm den Aussatz zu benehmen,
So bat mich der mit unterthän'gen Reden,
97 Zur Hochmuthsfiebercur mich zu bequemen.
  Er drang in mich; ich aber schwieg mit Fleiße;
  Denn Trunkenheit schien ihm den Sinn zu lähmen,
100 "Daß ich dich", sprach er, "deiner Furcht entreiße,
So absolvir' ich dich; du nun laß hören,
Wie Penestrino ich zu Boden schmeiße.  21
103 Den Himmel schließ' und öffn' ich, - das zu lehren
  Brauch' ich dich nicht, - drum zwei der Schlüssel trag' ich;
Mein Vorfahr hielt sie nicht in hohen Ehren".  22
106 Dem wicht'gen Wort zu widersteh'n nicht wag' ich;
Denn Schweigen schien am mindesten zu rathen.
"Willst du mich von der Sünd', o Vater," sag' ich,
109 "In die ich fallen soll, rein wieder baden:
Wohl, auf dem hohen Throne triumphiren
Wirst du mit langen Reden, kurzen Thaten,"  23
112 Ich starb, Franciscus kam, mich zu entführen;
Ein schwarz gefärbter Cherub rief indessen:  24
"Laß mir mein Recht, greif nicht in mein Handthieren.
115 Der muß zu meinen Wichtern mit; vergessen
  Ist nicht der falsche Rath, der von ihm rühret;
  Im Haar hab' ich ihm stets seitdem gesessen.
118 Wer nicht bereut, der wird nicht absolviret;
  Und Wollen und Bereu'n will sich nicht reimen,
  Des Widerspruches halber, der's negieret."
121 Wie fing ich mich, ich Armer! an zu bäumen,
  Als er mich packt' und sprach: "Du ließest, Lieber,
  Von meiner Logik dir vielleicht nichts träumen."  25
124 Dann schleppt' er mich zu Minos hier herüber;
  Der schlang den Schweif um's harte Kreuz achtstrählig;
  Dann biß er ihn in seinem Tollheitsfieber
127 Und sprach: "Des dieb'schen Feuers Schuld'gen zähl' ich
  Da diesen bei." Hier muß ich nun vergehen,  26
  Und so gekleidet Umzug haltend, schmäl' ich.
130 Wie dem Bericht Genüge so geschehen,
  So schwebt die Flamme klagend in die Weite;
  Ich seh' ihr Horn sich schütteln und verdrehen:
133 Worauf ich vorwärts mit dem Führer schreite,
  Empor zum andern Bogen auf dem Graben,
  Wo ihren Zins bezahlen jene Leute,
136 Die, Spaltung stiftend, sich belastet haben.

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Achtundzwanzigster Gesang

Erläuterungen:

01 S. Plinius, H. N. 34. 19. Perillus von Athen mißbrauchte, was auch Plinius tadelnd hervorhebt, das künstlerische Genie zu Andrer Qual. Er schenkte dem Tyrannen Phalaris von Agrigent einen ehernen Stier, den er so künstlich gebildet hatte, daß, wenn man einen Menschen hineinsteckte und den Stier heizte, das Wehegeschrei des gequälten Menschen das Brüllen eines Stiers nachahmte. Aber "malum consilium consultori pessimum." Der Tyrann ließ "justiore saevitia" (wie Plinius sagt) den Künstler selber hineinwerfen. Nun liegt das vom Dichter selbst angegebene tertium comparationis zwischen dem gemarterten Perillus und den hier gequälten Sündern zunächst zwar nur darin, daß sowohl dieser, als jener nicht in ihrer eigenen Sprache, sondern jener in der des Stieres, diese in der des Feuers reden. (Vergl. V. 10 und 15.) Aber das ist nur das äußere tertium comparationis; das innere liegt in dem Mißbrauch des Genies zur Qual des Nächsten, und in dem Zurückfallen des bösen Rathes auf das Haupt des Rathgebers.
Die hier bestraften Sünder haben sich die Feuerqual, wie Perillus, selbst bereitet, denn, weil sie den Funken des göttlichen Geistes, den sie zum Wohl der Menschheit gebrauchen sollten, zum Schaden derselben mißbrauchten, so schlägt er ihnen nun als Flamme über dem Kopf zusammen. "Siehe, ihr alle, die ihr ein Feuer anzündet, mit Flammen gerüstet; wandelt hin im Lichte eures Feuers und in Flammen, die ihr angezündet habt. Solches widerfährt euch von meiner Hand; in Schmerzen müsset ihr liegen." Jes. 50, 11.

02 Die Zunge bewirkt zuerst ein Knistern, das Dante des Feuers Sprache nennt (13-15). Nachdem dann die Bahn gebrochen, theilen die von der Zunge bewegten Schallwellen sich der Flammenspitze mit, und so entstehen articulirte Töne (15-18).

03 Virgil war aus Mantua, also der nachmaligen Lombardei gebürtig; darum läßt ihn Dante, der die Verschiedenheit der italienischen Mundarten auf eine ursprüngliche Verschiedenheit der lateinischen zurückzuführen scheint, Lombardisch reden. Sind doch manche Gelehrte noch heut zu Tage der Meinung, daß das jetzige Italienisch schon sehr frühe als Volksmundart neben der Lateinischen Sprache hergegangen ist.

04 Damit hatte der süße Dichter den Ulysses entlassen (V. 3).

05 Die Tiber entspringt in der Nähe des Monte Coronaro. Zwischen diesem und der Stadt Urbino liegt der Montefeltro, die Heimath des Grafen Guido.

06 Um 1300 ruhete der offne Krieg, aber im Innern gährte es.

07 Die Herren von Polenta, deren Wappen ein Adler war, herrschten über Ravenna und dehnten ihre Herrschaft auch über das benachbarte Cervia aus.

08 Fori, das von dem französischen Feldherrn Johann von Appia, auf Befehl des Papstes Martin IV., oftmals vergeblich angegriffen worden, hatte sich, durch die List des Guido von Montefeltro, der Franzosen in einem blutigen Gemetzel entledigt und wurde jetzt von der Familie der Ordelaffi beherrscht, die einen grünen Löwen im Wappen führte.

09 In Rimini tyrannisirten die Malatesta von Verrucchio, Vater und Sohn, die der verrätherischen Grausamkeit wegen, die sie an dem Montagna Parcitati und an allen Ghibellinen verübten, Hunde genannt werden.

10 Faenza am Lamone und Imola am Santerno standen unter dem Schutze des Machinardo, dessen Wappen ein Löwe im weißen Felde war. Im Jahre 1289 sehen wir ihn im Heere der Guelphen gegen Arezzo fechten, und am Ende desselben Jahres die Anhänger des Papstes aus Faenza vertreiben. So wechselte er vom Sommer bis zum Winter die Farbe.

11 In Cesena am Savio, dessen Vorstadt auf dem Berge lag, konnte die Gewaltherrschaft nie rechte Wurzel fassen. Aehnliche Vergleiche, wie obiger, sind darum so treffend, weil sie in der Sache selber liegen. Berg und Freiheit, und im Gegensatz dazu, Niederung und Knechtschaft: darin liegt eine gewisse Nothwendigkeit, und der Vergleich hört auf zufällig zu sein. So verlangt es die ächte Kunst. Unsre Dichterlein meinen: je zufälliger, desto besser.

12 Bonifacius VIII.

13 Dante ist, wie auch Thomas Aquinas (1. 118-2), Creatianer, d.h. er nimmt bloß eine Fortpflanzung der Leiblichkeit und der thierischen Seele (anima sensitiva) auf dem unmittelbaren Wege der Zeugung an, und läßt die vernünftige Seele (anima intellectualis), den Geist, von Gott unmittelbar geschaffen werden.

14 Der Löwe bezeichnet, im Gegensatze zum Fuchse, offenbar die Gewaltthätigkeit. So wird wohl auch der Löwe im ersten Gesange die Gewaltthätigkeit versinnbilden und der Panther, wie hier der Fuchs, die Arglist (s. die 2. Anm. hinter dem 1. Ges.). Den Fuchs konnte der Dichter im ersten Gesange nicht brauchen, da derselbe nichts Schreckenerregendes hat; er nahm daher den gefährlichen Panther, dessen Schlauheit sich ebenso gut zum Symbol der Arglist eignet.

15 S. Anm. zu Ges. 1, 1. Uebrigens nehmen wir hier die in der angeführten Stelle beiläufig aufgestellte Vermuthung, daß hier vielleicht von der Mitte des Lebens die rede sei, vollständig zurück. Es ist vielmehr von dem 70. Lebensjahr die Rede (Senio), wo die müde Seele sich dem Hafen der Ruhe nähert, im dem, wie Dante sagt, guido von Montefeltro nicht mit "vollen, sondern mit eingezogenen Segeln" einlaufen wollte (Convito, fratt. IV, Cap. 28), indem er in sich ein- und zu Gott zurückkehrte.

16 Gegen die nachbarlichen Colonna's nämlich führte Bonifacius VIII. einen Kreuzzug.

17 Ein Seitenhieb auf den Papst, der den Kreuzzug lieber nach Acre hätte führen sollen, das den Christen 1290 war entrissen worden.

18 Keiner hatte im Muhamedanischen Heere gegen Acre 1290 mitgekämpft oder den Muhamedanern durch Zufuhren als Handelsmann Vorschub geleistet, so daß der Papst einen triftigen Grund zu seinen Feindseligkeiten gehabt hätte.

19 Weil die Ordensglieder sonst nicht su unmäßige Bäuche waren.

20 Constantin, sagt man, ließ den Papst Sylvester, von dessen Wundergaben er gehört, aus einer Höhle des Soracte, dahin er sich vor den Verfolgungen der Welt geflüchtet, zu sich holen, damit er ihn vom Aussatze heilte. So ließ nun der Papst den Guido, von dessen wunderbarem Genie er vernommen, aus dem Schlupfwinkel des Klosters, darin er sich von der Lust der Welt zurückgezogen, zu sich rufen, damit er ihm durch einen klugen Rath von der Qual ungestillter Rachlust curirte.

21 Das schwer einzunehmende Penestrino war nämlich der letzten Zufluchtsort der Colonna's.

22 S. Ges. 3. 59-60.

23 Danach versprach Bonifacius den Colonna's völlige Amnestie, wenn sie ihm Penestrino übergäben. Diese glaubten seinem Wort; aber der Papst zerstörte die Stadt und verfolgte die Colonna's.

24 Th. Aq. findet es bei der Annahme, daß der Satan zu der höchsten Engelordnung gehört habe, wahrscheinlich, daß von allen neun Engelordnungen einige gefallen sind. In der heiligen Schrift jedoch, fährt er fort, werden die Namen einiger Engelordnungen, als Seraphim und Throne, nicht den Dämonen beigelegt, weil diese Namen von der Gluth der Liebe und von der Inwohnung Gottes hergenommen sind, die sich nicht mit der Todsünde vertragen; es werden ihnen jedoch die Namen der Cherubim, Mächte und Fürstenthümer beigelegt, weil diese Namen von der Wissenschaft und von der Macht hergenommen sind, die beide den Guten und Bösen gemein sind (1. 63,9). Auch Dante nimmt an, daß von allen neun Engelordnungen einige gefallen sind (Conv. 2,5); und es ist sehr wahrscheinlich, daß er dieselben den neun Höllenkreisen als Vorsteher und Plagegeister beigiebt. Auffallend wenigstens ist es, daß wir hier in dem achten Höllenkreise, und zwar wiederum in der achten Unterabtheilung, die gefallenen Cherubim auch der achten Engelordnung finden, und im neunten Höllenkreise den gefallenen Seraph Satan aus der neunten Engelordnung. Dagegen kann nicht eingewendet werden, daß wir im siebenten und in den fünf ersten Höllenkreisen keinen Dämonen begegnen, denn dort treten sie vielleicht nur in den Hintergrund, weil daselbst keine Sünden aus dem Geiste gestraft werden, die sie selbst begehen konnten, sondern nur solche, zu denen sie höchstens zu reizen im Stande waren (s. Th. A. 1, 63, 2). Vielleicht auch haben die dämonischen Vorsteher, namentlich der fünf ersten Kreise, ihren stehenden Sitz in dem sechsten, als in der Höllenfestung. Zu dem letztern würde die große Anzahl (H. 8, 82) vortrefflich stimmen, so wie auch der Umstand, daß der Cerberus aus der Vorhölle als ihnen zugehörig betrachtet wird (vergl. H. 9, 98. 111). - Mag dem nun sein, wie ihm wolle, so viel ist gewiß, daß die Cherubim, deren Namen auch nach Dante von der Erkenntniß genommen ist (Parad. 11. 38-39), zum achten Höllenkreise, wo der Mißbrauch des Geistes gestraft wird, und namentlich zur achten Unterabtheilung, wo die Lucifernaturen im Feuer büßen, vortrefflich stimmen, so wie auch die Seraphim, deren Namen, ebenfalls nach Dante, von der Liebesbrunst genommen ist (Parad. 11, 37), in die neunte Höllenabtheilung, wo die lieblosen Verräther im Eise stecken, ganz wohl hineien passen.
Die schwarze Farbe der Cherubim weist augenscheinlich auf ihren frühern Glanz zurück (Parad. 11, 39), der durch den Mißbrauch des anvertrauten Lichtes in's Gegentheil umgeschlagen ist.

25 Dem seraphischen Franciskus (Parad. 11. 38), der vor lauter Liebesbrunst, die alle beseligt wissen möchte, die Fehler seines Ordenssohnes, wie es so geht, ganz übersieht, entgegnet der cherubinische Dämon, der seine logische Schärfe nur zur Verdammung Andrer gebraucht, mit der ganzen Kälte bloßer Erkenntniß.

26 Hier fügt Minos die Unterabtheilung mit einigen Worten hinzu, nachdem er, wie gewöhnlich, den Hauptkreis durch das bloße Ringen des Schweifes angegeben (s. H. 5, 10-12).